Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

418 76. König Ludwigs I. Jugendzeit und Lehrjahre. 
Wittelsbachischen Stammes in ihm zu erkennen, seinen Eifer Kenntnisse zu 
sammeln, seinen Ernst in wissenschaftlichen Beschäftigungen, die lebendige Achtung, 
die er gegen alles Große und Schöne hegte, sein Streben nach Großem und 
Ruhmwürdigem, seinen Haß endlich gegen Gewalttätigkeit und Unrecht zu lieben 
und zu bewundern“ Auch der gelehrte Thiersch stand mit dem Prinzen in 
regstem Gedankenaustausch über hellenische Kunst und Geschichte. 
Ludwig blieb stets ein eifriger Freund klassischer Lektüre. Thiersch schreibt 
1826 an Lange: „Als ich das letzte Mal den König in seinem Kabinett sprach, 
einem kleinen Gemach mit einem Fenster, in dem man sich vor der Menge 
Skripturen und Konvolute, Portefeuillen und Bücher kaum umdrehen kann, 
sagte er über seine griechischen Studien: „Da liegen meine alten guten Freunde 
Herodot und Homer neben mir zwischen den Papieren. Sonst habe ich zwei, 
drei Stunden täglich Griechisch gelesen. Sie haben es mir übel genommen. 
Hätte ich noch einmal soviel Zeit am Spieltisch zugebracht, das wäre in der 
Ordnung gewesen, aber zwei Stunden lang Homer und Thukydides lesen, 
das war ein unverzeihliches Betragen. Jetzt findet sich die Besserung von 
selbst; nur in kleinen Zwischenräumen komme ich noch darüber, so von einem 
Portefeuille zum anderen; doch es wird schon besser werden.“ 
Da der Prinz für Reiten und Jagen keine Vorliebe hatte und auch an 
den militärischen Ubungen nur selten, um dem Wunsche des Vaters nach- 
zukommen, teilnahm, konnte er neben den gelehrten Studien noch manche 
Mußestunde der Lektüre der deutschen Dichter widmen. Früh war, wie Platen 
singt, die Schönheit seines Gemüts Bedarf und nicht vergeblich sog er mit 
Emsigkeit das tiefste Mark altgriechischer Bildung ein. Schiller und Goethe 
namentlich ehrte er als die Dichterfürsten. Oft pflegte er zu äußern, er habe 
nur deshalb gewünscht früher auf den Thron zu gelangen um seinem Lieblings- 
dichter Schiller eine sorgenfreie Existenz und namentlich die Mittel zu einem 
längeren Aufenthalt in Italien bieten zu können. Den Toten ehrte er noch 
dadurch, daß er aus eigenem Antrieb bei einem Enkel Schillers Patenstelle 
übernahm. Zu Goethe trat er später in ein innigeres Verhältnis. 
Wenn Ruhe und Stille dem inneren Sein ein freieres Walten gestatteten, 
versuchte der Prinz auch selbst Spiegelbilder seines eigenen geistigen Lebens 
in poetischer Form zu geben. Diese Dichtungen des Prinzen wie des Königs 
bieten nicht nur den dankenswertesten Beitrag zur Charaktergeschichte — sie 
enthüllen uns die Lebensfragen, die an den Dichter herantraten, und die Lösung, 
die er diesen Rätseln abgewann — sondern enthalten überdies eine Fülle 
echter Lebensweisheit. Ludwig war kein Dichter, aber der hohe Adel der Ge- 
sinnung und die Geistesschärfe, die in seinen Gedichten zum Ausdruck gelangen, 
zeigen uns, daß er verdiente König zu sein.
	        
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