Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

77. Ein Brief an Kaiser Franz I. von ÖSsterreich von Kronprinz Ludwig. 419 
77. Ein Brief an Kaiser Franz I. von Österreich 
von Kronprinz Ludwig.#) 
Durchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser, 
freundlich vielgeliebter Herr Bruder und Vetter! 
Vertrauensvoll wende ich mich zu Euerer Kaiserlichen Majestät, hierinn 
bestärkt durch die gütige, und ich darf sagen, liebevolle Aufnahme, so mir von 
Höchstderselben in Heidelberg wurde. Voriges Jahr war die Gelegenheit, nun, 
fast wunderbar, ist sie von neuem, und dann wohl nie mehr, wieder zu erlangen, 
was durch Verrath und Waffenglück Franzoßen von unserm Vaterland an sich 
gerissen. Aufrichtigkeit lieben Euere Kaiserliche Majestät, und aufrichtig sage 
ich meine Meinung für am zweckmäßigsten zu halten, sich nicht in lange Unter- 
handlungen einzulassen, als worinn die Franzoßen gefährlich, sondern in Paris 
zu erklären, was man will. Ruhmvolleres hat noch nie ein Kaiser volltracht, 
als wenn Euere Majestät machen, daß nebst den im letzten Frieden erhaltenen 
Bezirken Elsaß, Lothringen nebst Metz, Toul und Verdun, die in jenem ein- 
geschlossen, von Frankreich gesondert werden, wonach dieses immer noch größer 
bleibt, als es war, da es Teutschland verderblich wurde. Darum beschwöhre 
ich Euere Kaiserliche Majestät, daß wenigstens Elsaß mit Teutsch-Lothringen 
und das Vogesen-Departement doch wieder Teutsch werden; es wäre zu traurig, 
wenn dieses nicht geschähe, Südteutschlands Gränzen ferner jedem Einfall offen 
stünden. Es waren, sind und bleiben Teutschlands Feinde die Franzoßen, 
welche Familie sie auch regiere. Obiges erwarten die Teutschen, und daß 
Frankreich die Kriegskosten zahle, wie daß es angehalten werde zur Rückgabe 
dessen, was es in Europa geraubt an Kunst= und Wissenschaftlichen-Werken. 
Ich sage dieses, obgleich Baiern sehr wenig Bedeutendes nur verlohr. Es 
ziemt mir vielleicht nicht, mich so gegen Euere Kaiserliche Majestät zu äußern, 
aber Höchstdero Wohlwollen gegen mich und die Tugend, welche Euere Majestät 
nebst so vielen andern besitzen, Offenherzigkeit zu lieben, ließen mich dieses 
schreiben. Vergebung, wenn ich gefehlt. Höchstdieselben um Dero fernere Ge- 
wogenheit ersuchend verbleibe ich 
mit vorzüglichster 
Hochachtung und dienstwilligster Ergebenheit 
Euerer Kaiserlich Königlichen Majestät! 
Dienstw., ganz ergebenster 
Bar le Duc den 3½ Bruder, Vetter und Diener 
ulii 1815. 
duli Ludwig, Kronprinz. 
Format 4°. 
1) Wiener Staatskanzlei, Bayern, Hofkorrespondenz.
	        
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