Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

124 81. Die Walhalla. 
wurden, die den Ruhmestempel Napoleons im Strahlenglanz erscheinen ließen, 
in jenen Tagen der tiefsten Erniedrigung Deutschlands hatte der bayerische 
Prinz den Entschluß gefaßt dem deutschen Genius diesen Ehrentempel, seine 
Walhalla, zu bauen. „Es macht den Eindruck,“ sagt Döllinger, „wie wenn 
ehedem römische Senatoren dem von der Niederlage bei Kannä heimkehrenden 
Konsul Varro entgegengingen und ihm dankten, daß er doch am Vaterland 
nicht verzweifelt habe.“ Schon bei einem früheren Besuch in Berlin (Neujahr 1807) 
lenkte er seine ersten Schritte zu Schadow um für seine Walhalla eine Büste 
Friedrichs des Großen in Auftrag zu geben. Außer bei Schadow bestellte 
Ludwig dann noch bei Rauch, Tieck und Wichmann Büsten deutscher Geistes- 
heroen. Während selbst die edelsten Patrioten trübe resignierten, hatte Kronprinz 
Ludwig niemals das Vertrauen verloren auf die geistige Kraft des Volkes, 
die früher oder später das Vaterland wieder aufrichten, das Gefühl der Zusammen- 
gehörigkeit wecken müsse. Damals, als der Prinz täglich gezwungen war mit 
Berthier, Ney und anderen französischen Marschällen in Berührung zu kommen, 
war das Gedicht entstanden: 
„Auf, ihr Teutschen, sprengt die Ketten, 
Die ein Korse euch hat angelegt; 
Eure Freiheit könnet ihr noch retten, 
Teutsche Kraft, sie ruhet unbewegt 
Auch auf den Wunsch des Prinzen war Joh. Müller eingegangen, „alle 
diese Männer, nicht gelehrt, ohne alles Zitat, aber mit lebendiger Vorstellung 
dessen, was jeder war und was zu sein er uns lehrt, aufzuzeichnen". Doch 
starb Müller, bevor er den Plan ausgeführt hatte, und Ludwig übernahm 
nun selbst die Abfassung kurzer biographischer Skizzen über die „Walhalla- 
genossen“. Man mag den Stil barock nennen und den einen und anderen 
Verstoß gegen vie Geschichte tadeln, aber man muß der Objektivität des Ver- 
fassers Gerechtigkeit widerfahren lassen. 
Zwölf Jahre nach der Grundsteinlegung, wieder am Jahrestag des Leip- 
ziger Befreiungskampfes, öffneten sich die ehernen Tore des deutschen Ehren- 
tempels. Unter den Klängen des von Stunz komponierten Walhallaliedes 
schritt der König mit großem Gefolge die majestätische Marmortreppe hinan. 
Das Gelübde, das er vor 35 Jahren nach der Schlacht bei Jena den zürnenden 
Walküren geleistet, war gelöst. Auch bei dieser Feier gab er dem Wunsche 
Ausdruck, Walhalla solle vor allem zur Erstarkung deutschen Sinnes beitragen. 
Im Jahre 1830 war auch für ein einiges Deutschland kaum mehr als der Grund. 
stein gelegt. Im Laufe der folgenden zwölf Jahre war an dem Bau nicht 
lässig fortgearbeitet worden, obwohl ein ausschweifender Partikularismus in 
gleicher Weise wie das Streben nach unbedingter Einheit, das sich zu anarchischer 
Tendenz verirrte, die Entwickelung der Einheitsidee schädigte. Aber es waren 
doch wenigstens die Glieder des deutschen Volkes nicht mehr durch Zollschranken 
zerrissen und die deutsche Bewegung im Jahre 1840 hatte gezeigt, daß die
	        
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