428 83. Gedanken Jean Pauls über seine Zeit.
wunden zu verschließen und zu neuen auszuholen hat. Wollte ein großer
Staat nur die Hälfte seines Kriegsbrennholzes zum Bauholze des Friedens
verbrauchen; wollte er nur halb soviel Kosten aufwenden um Menschen als
um Unmenschen zu bilden, und halb soviel sich zu ent wickeln als zu ver-
wickeln: wie ständen die Völker ganz anders und stärker da! Wie viel mehr
hat das kleine, friedliche Athen für die Welt getan als das würgende Riesen-
Rom!“ Deutlich klingt schon der warnende Hinweis auf das Schicksal der
großen Eroberer durch: „Immer glitten die durchstochenen, durch ein Schwert
aneinander gereihten Länder wieder davon ab, sobald die blutschwarze Hand,
die es hielt, sich vor dem Tode senken mußte.“ Offenbar anspielend auf den
unersättlichen Soldatenkaiser schreibt er: „Alexander hätte sich gewiß nicht
mit dem winzigen Trabanten der kleinen Erde begnügt, dem Monde, wenn
er eine Aufziehbrücke dahin gefunden hätte, sondern er wäre gerade auf die
Hauptstadt des hiesigen Planetenreiches, auf die Sonne, losgegangen und hätte
daselbst, nach der Eroberung, Kriegskarten vom Hundsstern verlangt.“
Auch in anderer Hinsicht vollzieht sich in Jean Paul eine Wandlung.
Er hörte in Bayreuth in den ersten Oktobertagen 1806 die vor seinen Fenstern
„vorübergetragene Kriegsmusik, welche mit ihrem Freudenanklang das Herz,
wider dessen Vaterland sie zog, schmerzlich seltsam teilte;“ er durchlebte eine
Zeit, „wo die Kanonen die Stunden schlugen und die Schwerter sie zeigten;"
nun steht er dem Vaterlande nicht mehr mit kaltem Spott gegenüber, sondern
nimmt wärmsten Anteil. „Der Krieg hat über Deutschland ausgedonnert,
mit den deutschen Wunden sind zugleich auch die deutschen Ohren offen;
daher rede Heilsames, wer es vermag! Oftmals sind Länder vorbereitet
und umgepflügt mit Schwertern, gedüngt mit Blut — und bleiben doch brach,
weil der Geist nicht kommt, der den guten Samen aussäet, sondern bloß der
Feind mit Krallen voll Unkraut. Noch hat uns das Unglück nicht so
viel Vaterlandsliebe gegeben, als das Glück den Franzosen davon gelassen, ja
zugelegt.“ Aber nicht in Vorwürfen will er zu seinem Volke sprechen, sondern
tröstend und aufmunternd. Nach Jahren sagt er einmal: „UÜbrigens geht
durch alle meine politischen Aufsätze, von des ersten Konsuls Drucke an bis
zu des letzten Kaisers Drucke, etwas ungebeugt und aufrecht, was ich jetzo am
liebsten darin stehen sehe — die Hoffnung.“ (Fastenpredigten 1816.) Er
schlägt schon 1808 in der Vorrede zu seiner Friedenspredigt diesen Ton an.
„Wir brauchen vielerlei Hoffnungen; schon das Glück kann ohne diese nicht
genossen werden, geschweige das Unglück getragen oder geheilt. In jedem Falle
ist Hoffen besser als Fürchten."“
Eine Hoffnung ist, daß nun die Deutschen ihre alten Schwächen ablegen.
„Der Krieg ist die stärkende Eisenkur der Menschheit, und zwar mehr des Teils,
der ihn leidet, als des, der ihn führt. So muß der Krieg den nächsten
Zeiten mehrere wahre Männer zugebildet und zurückgelassen haben und dem
Vefsuve gleich geworden sein, nach dessen Aschenwürfen (das Kriegsfeuer liefert