430 83. Gedanken Jean Pauls über seine Zeit.
1810 bis 1811 schrieb und die er 1816 unter dem Titel Politische Fasten-
predigten“ zusammenfaßte, äußert er sich in der Vorrede dazu, sie seien „in
jenen lastenden Jahren geschrieben, wo weiter keine andern Federn kühn und
stolz sich bewegen durften als die auf Helmen und wo man in Schafskleidern
gehen mußte um Wölfen nicht anstößig zu werden. So wird man sich über
die Stellen dieses Buches nicht entrüsten, wo ich mit den Wölfen zwar nicht
heulte, aber auch nicht über sie.“ In der „Traumdichtung in der ersten
Nachmitternacht des Jahres 1813“ schreibt er im Dezember 1812: „Unsere
Zeit, gewaltiger und umgreifender als eine, leidet eben darum keine Propheten:
sie läßt keinen Monat Zukunft von sich weissagen; ja, wir haben genug zu
blicken um nur die Vergangenheit zu erraten und zu sehen.“ Aber unge-
beugt ist sein Vertrauen. „Wer hofft, hat schon gesiegt und siegt weiter.“
Als endlich der große, ersehnte Umschwung erfolgte, da äußert sich seine
Freude in der Vorrede zu „Mars' und Phöbus' Thronwechsel“ am 10. Februar
1814: „Verfasser darf sich zuerkennen, daß er schon in seinen frühern Werken
statt der Furcht die Hoffnung gepredigt und genährt. Und so schimmerten
ihm denn die ewigen Sterne der Vorsehung durch den Nordschein einer langen
Nacht hindurch und dieser Schein hat ausgeprasselt und jene sind still in
ihrem Lichte fortbestanden.“ Noch kann er sich zwar nicht so frei äußern,
wie er möchte. „Wenn der Leser es tadeln will, daß ich in eine so taten= und
folgenreiche einzige Zeit, ungleich anderen Schriftstellern, statt eines Sturmvogels
oder eines Beizfalken, einen leichten Sommer= und Schneidervogel, wie diese
nur scherzende Flugschrift ist, hinausschicke: so fall er den Zensor an, der
es verbot! Dieser verbot dem Sommervogel den Eingang in ein berühmtes
Wochenblatt, weil er ihm als ein Totenkopsschmetterling gegen die Fran-
zosen bedenklich schien; mit anderen Worten: er verbot mir gegen die Leute
zu schreiben, gegen welche er und ich (auf Befehl unserer Regierungen) sogar
zu schießen haben.“ Doch bricht die Freude über die große Gegenwart mit
fast dithyrambischem Schwunge durch: „Wo zeigt uns die Geschichte einen ähn-
lichen kosmopolitischen Krieg, welcher Fürsten und Völker fast eines Weltteils
zur Wiedergeburt der Freiheit und nicht für Eroberungen, sondern für Er-
oberte vereinigt und begeistert und worin die moralische Macht der Ideen die
verschiedene Macht der Waffen ausgleichend nach einem Ziele richtet? Wo
hoben sich je gebeugte Völker und Fürsten unter wilderen Stürmen empor?
Eine Völkerauferstehung wie die jetzige bliebe, wenn ihr auch die Be-
glückung der nächsten Zukunft fehlschlüge, für die ferne durch Beispiel ein fort-
wirkendes Heil."
Doch der Hinweis auf ein mögliches Fehlschlagen der nächsten Zukunft
klingt wie eine leise Sorge durch. „Nicht als ob so leicht ein Zersprengen
des großen Bandes drohte, woran Fürsten und Völker, wie Wanderer auf
Eisfeldern über die Eisspalten aneinander geknüpft, über die gemeinschaftliche
Gefahr hinüberschreiten.“ Eine andere Frage beschäftigt ihn: ob ein kräftiger,