84. Ludwig 1. und Goethe. 435
ihm das „wundersame“ Buch, das er damals der Welt schenkte, den Briefwechsel
zwischen Schiller und ihm, das Denkmal einer einzigartigen Freundschaft.
Und wie schön weiß er diese Widmung zu begründen! Als der König in
Weimar die engen Räume sah, in denen Schiller gewohnt hatte, äußerte er:
„Hätte ich nur damals schon freie Hand gehabt, ich hätte ihm Villa Malta
in Rom eingeräumt!“ Anknüpfend an diese Worte gibt Goethe in der Widmung
dem Schmerz darüber Ausdruck, daß es seinem verewigten Freunde nicht auch
vergönnt gewesen sei die königliche Gnade zu genießen. „Durch Ihre Gunst,“
fährt er fort, „wäre sein Dasein durchaus erleichtert, häusliche Sorgen entfernt,
seine Umgebung erweitert, derselbe auch wohl in ein heilsameres Klima versetzt
worden und seine Arbeiten hätte man dadurch belebt und beschleunigt gesehen."“
Von jenem Besuch an wanderte mancher Brief und manches Geschenk — z. B.
zum 80. Geburtstag der Abguß des Niobidentorso in der Glyptothek wie vorher
jener der Medusa Rondanini — von München nach Weimar und Goethe
antwortete stets sehr erfreut; doch da nach des Königs letztwilliger Verfügung
sein schriftlicher Nachlaß noch für eine Reihe von Jahren uneröffnet bleiben
soll, ist dessen Kenntnis Späteren vorbehalten.
Um eine sichtbare Erinnerung an die Tage in Weimar zu besitzen sandte
Ludwig ein Jahr danach seinen jungen Hofmaler Joseph Stieler, dessen fein
durchgeführte Bilder die damalige Welt entzückten, nach Weimar mit dem Auf-
trage ein Porträt Goethes anzufertigen. Dieser ließ sich sonst nur mehr ungern
dazu herbei für ein Bildnis zu sitzen, und wenn wir hören, wie oft er darum
angegangen und wie sehr er dann manchmal von denen gequält wurde,
denen er es gewährte, werden wir es begreisen — hier aber war er mit Freude
bereit; selbst einen neuen Rock ließ sich der sparsame Hausvater — allerdings
erst auf das dringende Zureden der Freunde! — für diesen Zweck anfertigen
und sein vertrauter Freund Zelter, der kurz vorher den König gesprochen
und Goethe eine sehr originelle Schilderung von München und den Münchenern
zugesandt hatte, ermahnte ihn, er möge dem Maler geduldig sitzen und ihm
„die Fenster seines Geistes öffnen“.
Der junge Maler hatte als Probe seines Könnens eines der schönsten
Franenbildnisse mitgebracht, die jetzt als „Schönheitsgalerie"“ in der Residenz
vereinigt sind, und Goethe meinte lachend: „Stieler war gar nicht dumm !
Er brauchte diesen schönen Bissen bei mir als Lockspeise und schmeichelte meiner
Hoffnung, daß auch jetzt unter seinem Pinsel ein Engel entstehen würde, in-
dem er den Kopf eines Alten malte.“
Aber es bedurfte solcher Künste nicht: Stieler war ihm als Mensch
sympathisch, seine saubere, ins Detail arbeitende Technik fand seinen vollen
Beifall; er freute sich „in diesem Jahrhundert einen Maler zu finden, der
malen kann“, und bald war ein lebhafter Gedankenaustausch im Gang über
die allgemeinen Fragen der Kunst und insbesondere über Münchener Kunst
und Künstler, auf die Goethe damals etwas schlecht zu sprechen war,
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