Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

85. Der bayerische Sprachforscher Johann Andreas Schmeller in Tölz. 437 
verbreitet als dieses. Wenn uns seine milden Züge grüßen, dann möge es 
uns aber nicht nur an den Dichter mahnen sondern auch an den fürstlichen 
Freund und an das schöne Verhältnis, das gewaltet hat zwischen dem Herrscher 
auf dem Thron und dem Fürsten im Reiche der Geister. 
85. Der bayerische Sprachforscher Johann Andreas Schmeller 
in Tölz. 
Von J. N. Sepp.) 
Wenn man mit dem Volke in seiner Mundart redet, erfährt man vieles; 
verkehrst du vollends als alter Bekannter und erzählst ihnen vorher etwas, 
alsdann werden sie zutraulich. 
Dies hat vor anderen der Sohn eines Kürbenzeuners (= Korbflechters) 
von Tirschenreut, unser erster Sprachforscher Andreas Schmeller, verstanden 
und er wurde so der Begründer der deutschen Dialektforschung. Ohne sichere 
Lebensstellung, wie er war, hatte er sich als Soldat in Spanien anwerben 
lassen, hat 1814 und 1815 den Deutschen Befreiungskrieg mitgemacht, bis er 
nach verschiedenen Lehrschulen zuletzt an der Staatsbibliothek und Universität 
in München zu wirken vermochte. Seine Sprachstudien führten ihn vor 
anderen zu den sogenannten Cimbern in den Veronesergebirgen, den sieben und 
dreizehn Gemeinden, welche verlassen mitten unter Welschen leben und entweder 
bajuvarischen oder langobardischen Geschlechtes sich erweisen. Derselbe Forscher- 
trieb brachte unseren Schmeller auch nach Tölz; denn er wollte die dortige 
Volkssprache näher kennen lernen. So hat er durch den Volksmund belehrt 
und bereichert in seinen „Mundarten Bayerns“ (1821) und im „Bayerischen 
Wörterbuch“?!) eine wahre Schatzkammer für Sprachkunde eröffnet. 
Beim „Kolber“ setzte er sich mitten unter die Landlente und bekam 
vielleicht den Steffelbauer von Sachsenkam, ein lebhaftes Männlein, den 
Waldherr von Wackersberg, den Bartlmann von Lehen oder den Wicham von 
Gaißach zum Tischnachbarn; ein andermal den Pföderl von Fischbach oder 
den Cham, den Lambrecht und Oswald von Lenggries, den Orterer und Lui- 
polder aus der Jachenau, den Kifersauer oder Jand am Sauersberg, welche 
er dann ausfragte. 
„Grüß Gott, Landsmann! Wie geht's, wie steht's mit Leib und Leben? 
Mir gefallt's bei Enk heroben.“ „Kannst gleich einmal in Kirta kömmen“, 
erwiderte der Angesprochene. Schmeller fährt fort: „So, hast du eine Frau 
daheim, die gute Nudel kocht?'“ — „Na, Frau hob i keine, aber ein Weib 
1) „Denkwürdigkeiten aus dem Bayeroberland", S. 371 f. München 1892, 
J. Lindauer. 
*) In 4 Bänden 1827—1837 erschienen. Eine neue Auflage im Auftrage der 
Hist. Kommission bei der Kgl. Akademie der Wissenschaften wurde (1872—1877) heraus- 
gegeben.
	        
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