Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

460 93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volkes. 
doch namentlich die Haltung der Münchener Bürgerschaft bewogen hatte, die 
Mittel anwies zum Bau eines griechischen Prachttores, das den herrlichsten Platz 
Münchens, den Königsplatz, würdig abschließen sollte!“" 
Aber solche Züge einer großen Seele zu erzählen würde ich kein Ende 
finden. Ich muß mir versagen, an seinem Lebenslauf zu zeigen, daß er ein 
echter Fürst von Gottes Gnaden war; ich will nur einen Punkt seiner Wirk- 
samkeit herausgreifen, will nur daran erinnern, wie er ein Führer, ein Erzieher 
seines Volkes gewesen ist. 
Diejenigen sind die besten Erzieher, welche sich selbst ihr Leben lang als 
Schüler betrachten. Von solcher Denkart war König Ludwig. „Wer's ehrlich 
meint mit Leben und Streben," schreibt er einmal an seinen hochverehrten 
Lehrer Blumenbach, „der bleibt Student sein Leben lang.“ Ludwigs Freude 
zu lernen erlosch nur mit seinem Leben. Eifrig eignete er sich noch in reiferen 
Jugendjahren diejenigen Kenntnisse an, die er von seinen ersten Lehrern nicht 
erlangen konnte, die er selbst aber für wesentlich zur Bildung hielt. Er ruhte 
nicht, bis er die griechischen und lateinischen Klassiker geläufig lesen konnte, 
und das hörte nicht mit den Jünglingsjahren auf, bis an sein Lebensende und 
täglich suchte er in der Lektüre Homers oder Herodots Erholung nach der 
Arbeit. Jakobs und Thiersch haben der Belesenheit wie dem Verständnis des 
königlichen Schülers hohes Lob gezollt. Französisch und italienisch sprach er 
fließend. In seinen Studienjahren trieb er russisch. Zu Rom im Jahre 1817, 
als alle Zeichen einen Aufstand der Hellenen ankündigten und er, ein Freund, 
ein Mitkämpfer, nach Griechenland gehen wollte, lernte er neugriechisch. Um 
seine Absicht zu vereiteln ließ König Max Joseph die Verfassung rascher, als 
er anfänglich geneigt gewesen war, veröffentlichen und rief den Kronprinzen 
zur Beeidigung zurück. Mit dem Studium der spanischen Sprache beschäftigte 
er sich 1846, als er eine Reise durch Spanien zur Erwerbung von Kunst- 
schätzen plante. Er übertrug in der Folge sein Lieblingsdrama Don Carlos 
ins Spanische und mehrere spanische Lustspiele ins Deutsche. Kurz, er lernte 
unermüdlich um Altertum und Gegenwart zu begreifen. Er erkannte auch 
den vollen Wert historischer Forschung und Betrachtung; er, der in seinen 
Jugendtagen begeisterte Briefe mit Johannes v. Müller gewechselt hatte, 
blieb zu allen Zeiten ein Freund der Geschichtskunde und Geschichtskundigen. 
Von den exakten, den streng beweisfähigen Wissenschaften, zog ihn die Rechts- 
wissenschaft am meisten an; ihr Studium galt ihm als unerläßlich für einen 
Fürsten. Keine bedeutende literarische Erscheinung entging ihm; er war ein 
eifriger Benutzer der Hof= und Staatsbibliothek, denn nur nachdem er ein Werk 
selbst geprüft hatte, ließ er es für seine eigene Bücherei anschaffen. So er- 
langte er die gründlichsten Kenntnisse in allen Zweigen, die für Erledigung 
seiner Regierungsgeschäfte von Belang waren. 
Und wie gewissenhaft oblag er diesen Pflichten! Man kann ohne lÜber- 
treibung sagen, daß er an Arbeitsdrang und Arbeitskraft dem großen Friedrich
	        
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