93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volkes. 461
glich. Tausend und aber tausend Urteile und Entscheidungen in fast sämtlichen
Akten der höheren Behörden des Königreichs zeugen von seiner allumfassenden
Tätigkeit.
" Und König Ludwig lebt, als müßt' er
Werben um, die er besitzt, die Krone!“
„In Eile schreibe ich Ihnen diesen Abend,"“ schrieb er bald nach seiner
Thronbesteigung (3. Dezember 1825) an Martin Wagner, „der ich eben Auf-
wartungen hatte und Aufwartungen nachher noch bekomme; meine Zeit ist
ungeheuer in Anspruch genommen, obgleich ich jetzt schon um ½5 Uhr in der
Frühe täglich aufstehe!“ „Mein Licht,“ bemerkte er zu Graf Pocci, „ist immer
das erste, wenn ich frühmorgens auf den Mag--Josephsplatz hinaussehe; dann
kommen nach und nach Lichter in den Bürgerhäusern zum Vorschein, und wenn
andere auf ihre Bureaus gehen, habe ich schon alle Mappen durchgearbeitet!“
Wie er sogar auf Erholungsreisen der Arbeit oblag, zeigt uns ein Brief, den
er am 10. April 1839 von Neapel aus an seinen Sekretär Kreuzer richtete: „Daß
ich meinen heiteren Sinn behalte und meine innere Jugend und die Kräfte,
dieses gehört zu meinen hauptsächlichsten Wünschen. Nachdem ich zwei Tage,
den ersten nur sehr kurz, den anderen mit längerer Unterbrechung von ½¼
nach 5 Uhr in der Frühe bis abends gearbeitet, arbeitete ich gestern eilf Stunden,
nur unterbrochen von Frühstück, und war recht wohl und munter dabei, kann
weit mehr noch arbeiten wie früher.“
Zu dieser rastlosen Tätigkeit spornte den Regenten ernstes Pflichtgefühl,
zur Pflege der Kunst drängte ihn die Neigung des Herzens. Die Kunst zu
schützen und zu fördern hatte er einst gelobt, da er als Jüngling in den
Kreis „der guten Geister,“ der deutschen Künstler in Rom, getreten war.
Denn Kunst, die zwar ihr sich'res Erbteil droben
In Himmel hat, bedarf, solange sie
Auf Erden geht, des ird'schen Schutzes wohl!
Wie treu hat er jenes Versprechen gehalten! Wie herrlich ist das in
Rom gelegte Saatkorn aufgegangen! Im Verhältnis zu den Einkünften des
Königs waren die Ausgaben für Kunst bedeutend, an sich aber die Mittel be-
scheiden, mit denen er so Stolzes, so Außerordentliches leistete. „Nur zwei
Eigenschaften: Einfachheit und Ordnung miteinander verbunden,“ sagt Abt
Haneberg in seiner Trauerrede auf Ludwig, „machen es zum Teil erklärlich,
wie er Größeres schaffen konnte, als viele Kaiser oder Beherrscher von zehn-
mal größeren Ländern vollbracht haben!"
Doch nicht bloß ihm selbst sollte die Kunst Leitstern seines Lebens sein:
in ihr erblickte er auch die edelste Erzieherin des Volkes.
König Ludwig dachte sich die Kunst in lebendiger Wechselwirkung mit
allem, was die Nation aus den Tiesen der Wissenschaft und der Poesie ge-
schöpft hat; er wollte nicht bloß gute Maler, sondern echte Künstler um seinen
Thron versammeln. „Alle Künstler sind meine Kinder!“ äußerte er oft bei