462 93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volles.
ernstem und heiterem Anlaß. In einem Briefe an Minister Eduard Schenk
drückt er den ernsten Wunsch und Willen aus, daß der Künstler in allen
Kreisen der Bevölkerung geachtet und geehrt werde; mit Mißfallen sehe er,
daß Künstler und Gelehrte mit den Münchener Adelskreisen fast keinen Ver-
kehr hätten.
Nur zu hohen, kühnen, ja selbst waghalsigen Flügen spornte er seine
Künstler. Die Tempelhallen von Agina und Pästum, die Athene Promachos
der Akropolis, die Sixtinischen Fresken des Michel Angelo stellte er ihnen als
Beispiel hin. Der Meister zeigt sich auch im kleinen, aber man erzieht am
großen zum Meister. Unterschätzen wir doch den Anteil nicht, den Begeisterung
und Ehrgeiz an der schöpferischen Kraft haben! Und wie glänzend wurde,
wenn nicht in allen, doch in vielen Fällen, das Vertrauen gelohnt! Es war
eine schöne, eine große Zeit heiteren Sinnes, uneigennützigen Strebens, mutigen
Schaffens, es war — um mit Cornclius zu reden — „eine gesunde, lebens-
kräftige Wärme, erzeugt durch die hell auflodernde Flamme der Begeisterung,
wovon jene Werke mit allen ihren Mängeln das Zeichen an ihrer Stirne tragen!“
Allein nicht bloß den Künstlern sollte nach des Königs Absicht die erziehliche
Kraft echter Kunst zugute kommen, sondern dem ganzen Volke. Er wollte
nichts für sich allein genießen, alle seine Unternehmungen waren für die Offentlich-
keit, für die Allgemeinheit bestimmt. Als 1829 die Fresken in den Münchener
Hofgartenarkaden enthüllt wurden, gab er nicht zu, daß eine Wache aufgestellt
werde. „Man muß," meinte er, „ohne Mißtrauen zu zeigen, den Geringsten
im Volke an den Anblick des Schönen gewöhnen !“ Als Rottmann von einer
Studienreise nach Italien und Griechenland, die er in des Königs Auftrag
unternommen hatte, eine Fülle herrlicher Landschaftsbilder seinem königlichen
Gönner heimbrachte, beschloß dieser sofort die eines Claude Lorrain würdigen
Kunstwerke zum Gemeingute zu machen. Sie wurden allen zugänglich gemacht,
wie sie bis heute das Entzücken aller sind.
König Ludwig glaubte an die Aufgabe und Macht der Kunst zu sittigen und
zu bilden; er hoffte von ihrer Pflege einen geistigen Aufschwung des bayerischen
Stammes, vor allem der Bevölkerung Münchens. Und daß bei dieser der
Kunstsinn erheblich zugenommen hat, läßt sich mit Leichtigkeit beweisen. Man
sehe nur die Feste, welche von den Künstlern Münchens veranstaltet werden.
Mit ebensoviel Freude wie Verständnis kommt man ihnen nicht etwa nur im
Kreise der Wohlhabenden, sondern in allen Schichten der Bevölkerung entgegen.
Die Künstler würden nicht so volkstümlich sein, wie sie es tatsächlich sind, wenn
das Volk keinen Herzschlag für die Kunst hätte!
Aus Ludwigs Eifer auf die geistige und sittliche Entwicklung der Gesamt-=
heit läuternd einzuwirken entsprang auch die Fürsorge für die öffentlichen Samm-
lungen und Kunsthallen.
Unablässig sann er auf Mehrung der Kleinodien, die heute der Stolz
der Isarstadt sind. „Nur das Beste ist gut genug!“ war die Losung, die er