464 93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volkes.
einer hochentwickelten Kultur erfreuen, werden „Kunst und Wissenschaft“ immer
zusammen genannt, weil überall empfunden wird, daß das Streben nach Schön-
heit Hand in Hand gehen muß mit dem Streben nach Wahrheit. Diese
Überzeugung war auch in Ludwig lebendig. Indem er, wie ich schon schilderte,
an den Fortschritten des menschlichen Wissens dauernden Anteil nahm, konnten
ihm der Nutzen und die Wichtigkeit der deutschen Hochschule nicht entgehen.
Eine seiner frühesten Regierungshandlungen war die Verlegung der altbayerischen
Hochschule in die Landeshauptstadt. Damals wurde sie von wenigen gebilligt,
heute zählt man sie zu seinen erfreulichsten Taten. Mit Recht hielt er den
Verkehr in einer großen Gemeinde für die Charakterbildung der Studierenden
für ersprießlich, mit Recht erwartete er, daß der Hort kostbarer wissenschaft-
licher wie künstlerischer Schätze den Gelehrten Anregung und Schwung geben,
hinwider die Gegenwart der Vertreter der Wissenschaft auf die städtische
Bevölkerung wohltätig zurückwirken werde. Man lese die Verordnungen Ludwigs
zur Neugestaltung der Akademie, die damals nur noch ein unfruchtbarer überrest
aus dem Hausrat der Zopfzeit war, auf daß auch sie der Wissenschaft und
dem Leben, dem Gelehrtenstaat und dem Vaterland Nutzen bringe! Man
lese die mit Minister Schenk gewechselten Briefe wegen Heranziehung neuer
Lehrkräfte nach München! Männer wie Oken, Görres, Schubert, Thiersch,
Martius, Schmeller folgten dem Rufe. Namen von verschiedenartigem Klang,
aber: „So ist's gut!“ urteilte Anselm von Feuerbach, „Wasser und Feuer ver-
trägt sich in der Natur auch nicht und doch grünt die Saat und keimt die Frucht!“
Nicht nur in der Chemie sind die Gärungserreger wichtig und nützlich.
Freilich war König Ludwig der rein atomistischen Auffassung der Welt
abhold und allen Leugnern der Gottesidee ein unversöhnlicher Gegner. Aus diesen
Gesichtspunkten mochte er in einzelnen Fällen ein Veto, in seinen späteren
Regierungsjahren sogar ein sehr barsches Veto einlegen: im großen und ganzen
hielt er die Freiheit der Forschung hoch und war überzeugt, daß die Hochschule
in ihrer Gesamtheit die Wissenschaft nach allen in ihr lebendigen Strömungen
darzustellen habe. Als Rektor Dresch bei der feierlichen Eröffnung der Münchener
Hochschule freimütige Gedanken über die Würde der Wissenschaft äußerte,
erwiderte der König: „Nichts konnte mir besser gefallen, als was über die Un-
abhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung, über Freiheit des Wortes und
der Mitteilung gesagt wurde. Es ist auch meine lebendigste, meine tiefste
lberzeugung, daß hier jeder Zwang, jede Zenfur, auch die billigste, verderblich
wirkt, weil sie statt des gegenseitigen Vertrauens, bei dem allein die menschlichen
Dinge gedeihen, den Argwohn einsetzt.“ — —
Es liegt auf der Hand, daß ein Fürst, der so hell ins Leben blickte wie
Ludwig von Bayern, auch auf Ackerbau und Handel und Gewerbe reformatorisch
einzuwirken suchte.
Der zwiefache Nutzen der landwirtschaftlichen Vereine, „einerseits die
Regierung, anderseits die Landwirte zu belehren,“ bewog ihn neben dem seit