93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volles. 467
und so verlangte er auch eisernen Fleiß, Pflichttreue und Pünktlichkeit von
jedem, der sich in den Dienst des Staates stellte. Mit der Vetternwirtschaft,
dem Schlendrian, dem leeren Formelwesen, der alten Bureaukratie hat er
gründlich gebrochen! —
Alles in allem: Ludwig erkannte und erfüllte die Pflichten des König-
tums. Auch ihm galt als erste Sorge das Fridericianische: Alles für Gott und
das Volk!
Erst in jüngster Zeit erfuhr man in weiteren Kreisen, welch bedeutsamen
Anteil Ludwig als Kronprinz am bayerischen Verfassungswerk nahm und daß
in der Stunde der Gefahr ihm die Rettung dieses Palladiums zu danken war.
Später freilich, als er, der sich freudig in den gemeinsamen Dienst mit dem
Vollke gestellt hatte, seinen Eifer durch Lahmheit oder Übelwollen in manchen
Kreisen gehemmt glaubte, empfand er die Beschränkung seiner Machtbefugnisse
mit Unbehagen. Dann mochte er wohl wünschen: Alles für das Volk, nichts
durch das Volk!
Doch wie stark die Versuchung war, niemals erlaubte er sich einen Ver-
fassungsbruch. Die Begrenzung der Gewalt ist auch eine Verringerung der
Verantwortlichkeit. Ludwig war zu lebendig vom Bewußtsein seiner Pflicht
durchdrungen, als daß er nicht darin eine Wohltat erblickt hätte!
„Herrlich, über freies Volk zu walten,
Nicht nach Willkür grenzenlos zu schalten,
Sondern in den Schranken, die bestehn:
In dem Edelen sein Volh erhöh'n!“
Immerhin läßt sich nicht verkennen, daß Ludwig seit 1831 den Anteil
des Volkes an der Regierung mit wachsender Eifersucht betrachtete und lieber
vermindert als vergrößert wünschte. Er faßte den Fürstenberuf mehr und
mehr in selbstherrlichem Sinne auf, doch niemals im vermessenen des Roi soleil.
Die Gewalt — dies ist seine Auffassung, seine felsenfeste Uberzeugung — ist den
Fürsten von Gott selbst übertragen, doch nur zur Förderung des Gemeinwohls,
der res publica. In jenen Tagen, da von namhaften Lehrern des Staats-
rechts noch das persönliche Eigentumsrecht der deutschen Fürsten an Land
und Leuten verfochten ward, erkannte er selbstlos an, was die Völker von den
Fürsten zu beanspruchen haben. Deshalb konnten unter ihm trotz Beschränkung
der Presse und des Vereinswesens die politischen Tugenden des Volkes für eine
freiere Zukunft heranreifen.
Diese glückliche Fortentwicklung des politischen Sinnes in Bayern wurde
noch dadurch begünstigt, daß Ludwig in allen Lebenslagen ernst und treu zum
deutschen Vaterlande hielt. Davon zeugen die Jugendgedichte, die Worte und
Taten des Regenten, die großen, dem ganzen deutschen Volke gewidmeten
Bauwerke.
In verblendeter Selbstgenügsamkeit wiegte man sich in Bayern, da
Kronprinz Ludwig schon mit Herz und Geist aufseiten der Befreiungskämpfer stand.
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