486 102. König Maximilian II. von Bayern.
offiziell und im Munde des Königs hatte sie gar keinen Namen die Einladungen
lauteten: „zum Billard“.
Ich bezeichne aber diese zweite Periode, welche unter der Hand aus der
rein poetischen hervorgewachsen war, als die enzyklopädische; das Wort paßt dann
nicht bloß auf unsere Zusammenkünfte sondern auch auf die ganze Kulturpolitik,
wie sie der König in den Jahren 1855—59 energischer und selbständiger als
je zuvor und hernach entwickelte, ja mit einer drängenden Hast, als fühle er.
daß ihm nur noch kurze Frist vergönnt sei. Die Hauptwerkstätte seiner mannig-
fachen Bildungspläne war in jenen vier Jahren, aber auch nur damals, ohne
Zweifel das Symposion.
Der Kreis der geladenen Gäste erweiterte sich und die sehr verschieden-
artigen Persönlichkeiten stellten für sich schon eine kleine Enzyklopädie dar.
Aus der bunten Reihe erwähne ich neben den stammhaltenden Dichtern Geibel,
Heyse, Schack, Bodenstedt, Kobell und meiner Person die Gelehrten Liebig,
Bischoff, Jolly, Thiersch, Sybel, Löher, Bluntschli, Dollmann, Carriere, Gietl,
Windscheid, Siebold, Pettenkofer, Cornelius, Hermann, Ringseis, Schafhäutl
und die Künstler Kaulbach, Piloty, Klenze, Adam u. a., wobei nicht vergessen
werden darf, daß auch unter den Kavalieren des königlichen Dienstes Männer
sich fanden, die, wie von der Tann und Spruner, an den wissenschaftlichen Auf-
gaben des Abends ebenso berufen als eifrig teilnahmen. Bei der Zahl der
Vorgenannten ist aber dann doch wieder ein engerer und ein weiterer Ring
zu unterscheiden: regelmäßige Gäste, oder richtiger mitarbeitende Gäste, auf
welche bei den Vorträgen und den nachfolgenden privaten Beratungen des
Königs gezählt wurde, und Ehrengäste, die ab und zu einmal gebeten waren.
Ich habe bei meiner Aufzählung die ersteren vorangestellt. Meistens waren
wir unser 12, selten mehr; 13 durften es niemals sein, der König fürchtete
die verhängnisvolle Zahl. Als einmal in Hohenschwangan, trotz aller Vorkehr,
dennoch der dreizehnte Mann durch Zufall an den Tisch kam, mußte, einer der
Adjutanten an einem der kleinen Tischchen in der Ecke Platz nehmen. Wir
nannten dies „am Altar des Aberglaubens essen“.
Methodisch in allen Dingen, brachte der König auch eine Art Geschäfts-
ordnung in das enzyklopädische Symposion. Er gliederte den Abend in zwei
Teile, ich möchte sagen in einen theoretischen und einen praktischen. Der zweite
war wichtiger als der erste, aber wer nicht zu den Eingeweihten zählte, wer nur
gelegentlich einmal als Ehrengast erschien, der merkte gar nicht, was alles im
zweiten Teile vorging und entschieden wurde. Der eine Akt spielte in dem
Rokokozimmer, wo wir bei einem kleinen Imbiß und nachher der Zigarre
— dem modernen Symbol der ausgleichenden Vertraulichkeit — versammelt
saßen um einen Vortrag anzuhören und das Thema im allgemeinen Gespräch
weiter zu erörtern, der andere Akt im Billardsaale. Hier bildeten sich Gruppen
während der Pausen des Spieles, man ging auf und ab und der König sprach
mit einzelnen unter vier Augen. Er beriet sich über seine Pläne, gab und