Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

498 104. Ein Erinnerungsblatt an König Maximilian II. 
vor und es gewährte ihm Freude, wenn sie ihn, teils für die Gabe dankend 
teils darum bittend, umringten und dann in lautem Juchzen ihren Jubel 
kundgaben. 
Es ist bekannt, wie wohl unterrichtet der König war und wie er sich 
namentlich mit historischer und poetischer Literatur gerne beschäftigte; es war 
daher bei seinen Jagden auch darauf Rücksicht genommen und in die Gesell- 
schaft mancher Gelehrte und Dichter gezogen, die eben keine Jäger waren, 
immer aber auch leidenschaftliche Freunde des Weidwerks, damit dem Jagen 
die eigentümliche Färbung und Aufregung nicht fehle, welche von solchen aus- 
geht. Wo es möglich war, hielt man das Jagdmahl im Freien und dabei 
wurden dann die Erlebnisse in fröhlichster Weise besprochen. Der König liebte 
es bei solchen Gelegenheiten, wenn ein besonderer Fall in launiger Poesie 
hervorgehoben wurde. Besonders gefeiert war immer der Hubertustag, dabei 
durfte ein poetischer Spruch nie fehlen. Freudig wurde dann getrunken und 
die Gläser klangen, der König selbst aber war so mäßig, daß er gewöhnlich 
nur ein Glas Champagner trank, andere Weine gar nicht; er hielt es 
mit dem „5##coror ##c00“ (das Beste ist Wasser) und allerdings spendeten 
die Bergquellen einen köstlichen Kristall, der in seiner Art oft die Gaben 
der Rebe übertraf. — 
Die Abende wurden bei der Zigarre zum Teil mit Vorlesen zugebracht 
und immer war eine reichliche Auswahl älterer und neuerer Literatur vor- 
handen. Gedichte und Novellen, Fragmente von Reisebeschreibungen oder 
historischen Werken kamen abwechselnd an die Reihe und ebenso die Ortssagen, 
welche der König gerne erzählen hörte; gab er doch auch Veranlassung, daß 
sie in einem eigenen Werke) gesammelt wurden. Ehe sich der König zurückzog, 
was gewöhnlich vor 10 Uhr geschah, wurde noch der kommende Tag be- 
sprochen und die weitere Jagdfolge. So oblag man oft mehrere Tage nach- 
einander dem Weidwerk, wenn das Wetter günstig war, aber auch bei schlechtem 
Wetter wurde zuweilen gejagt und nicht selten, wenn schon Schnee gefallen 
war, wobei jedoch der König immer das Gutachten des Forstmeisters erholte, 
ob es ohne Gefahr für die Treiber geschehen könne. An Sonn= und Feiertagen 
ruhte das Weidwerk; der König besuchte regelmäßig die Messe; war kein Geist- 
licher im Orte, so wurde einer aus der Nachbarschaft herbeibeschieden, so in 
der Riß, wo jedesmal ein Franziskaner vom sogenannten Klösterl in der 
Hinterriß den Gottesdienst besorgte. Ich kann nicht umhin hier zu erzählen, 
daß bei einer solchen Messe in der winzigen Kapelle der Ministrant, ein 
Bauernbub aus der Gegend, sich plötzlich zum König wendete und ihm ganz 
gemütlich zuflüsterte: „Herr Kini, koa' Wei' is nit da!“ Der König über 
diese Naivität lächelnd, winkte dem nahestehenden Adjutanten, der das Gesagte 
1) „Sagenbuch der bayerischen Lande“, herausgegeben von A. Schöppner, 3 Bände, 
München 1852/63.
	        
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