104. Ein Erinnerungsblatt an König Maximilian II. 499
auch vernommen hatte, und so kam der Wein noch rechtzeitig zur Stelle. —
Naive Außerungen, Fragen und Bitten kamen natürlich oft genug vor und
es machte dem Könige Vergnügen, darauf Bescheid zu geben, wie er auch
immer Interesse bezeugte an den Eigentümlichkeiten des Volksdialektes, oder
wenn ihm von den Leuten von altem Brauch und Herkommen erzählt wurde,
was oft in sehr ansprechender Weise geschah.
Bei der geistigen Tätigkeit, die ihm eigen war, möchte man sich wundern,
wie der König die Geduld gehabt habe, drei bis vier Stunden, denn so lange
und oft länger dauerten die Gemstriebe, auf dem Stande auszuhalten; er
hatte aber immer Bücher bei sich und pflegte zu lesen, bis die achthabenden
Leibjäger ihn aufmerksam machten, daß das Wild im Anzug sei. In einsamer,
schöner Gegend sich lesend zu beschäftigen war überhaupt eine Neigung
von ihm.
Die königliche Kanzlei folgte stets den Jagdfahrten und der König
arbeitete gewöhnlich schon am frühen Morgen. Wenn der Kaiser Maximilian
im Jahre 1495 schrieb: „Wir haben den Tag zu Wurms auf dem Rein ge-
kurzt und den in daz gepirg zu den wilden Gemsen gelegt“, so kam Ahnliches
beim Könige nicht vor und die Jagd durfte die Arbeit der Regierungsgeschäfte
nicht beeinträchtigen. Und lag auch manche Wolke in den Papieren der
Portefeuilles und manche unerfreuliche Kunde, die lebendig strahlende Sonne
in der freien Natur, die Bewegung in Wald und Wildnis und die frische Luft
der Höhen wirkten stets wohltätig auf Geist und Körper und stählten dem
Herrn die Kraft und das Vertrauen zu jenem höheren Regiment, welches alle
Geschicke lenkt und regelt.
Ho war dem Könige der Berge Lust
Ein Wunderquell, der seine Macht bewies,
Daß sorgenfrei er zauberte die Brust
Und dem Gemüte Blumen sprossen ließ.
Und wenn der Herr im Gemsgebiete dann
Die weite Fernsicht still genießend stand,
Wie knüpfte sich da stets die Freude dran:
„Dies schöne Land, es ist mein Bayerland “
Nun nimmer dringt ein Weidruf an sein Ohr,
Die Alpenrose sieht er nicht mehr blüh'n,
Es trugen Engel ihn zum Reich empor,
An dem er oft begrüßt der Sterne Glüh’n.
Wir aber trauern, daß es so gescheh'n,
Und was die Zeit auch trümmert und zerstiebt,
Das Zeugnis wird lebendig fortbesteh'n,
Wie treu und innig ihn sein Volk geliebt.