10. Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayerischen Stammes. 41
vor die Lösung seiner Kulturarbeit gestellt worden, schon im 8. Jahrhundert,
als die Sachsen ihre heidnischen Götter noch gegen fränkisches Christentum
verteidigten.
Diese Kulturarbeit des bayerischen Stammes erstreckte sich über ein
weites, wechselreiches Gebiet: im Norden bis zu den dunkelbewaldeten Granit-
massen des Fichtelgebirges, im Osten zu den weichen Wassern des Plattensees,
im Süden, vorbei an hochragenden Firnen und tiefgründigen Schluchten, einer-
seits zu den Steinwüsten des Karst, anderseits zu den Pforten des Landes,
„wo die Zitrone blüht und das blaue Gewässer dämmert unter der Sonne
Homers“. Das Arbeitsfeld liegt vornehmlich in den heutigen deutsch-öster-
reichischen Ostalpenländern oder Innerösterreich, in den Landen an der
mittleren Donau oder Niederösterreich, in den Landen nördlich der
oberen Donau entlang dem Böhmerwalde, auf dem sogenannten Nordgau.
Das Ergebnis dieser mehrhundertjährigen Tätigkeit war die vorherrschende Geltung
des Deutschtums in Steiermark, Kärnten und Krain, die ausschließliche Herr-
schaft des Deutschtums in Niederösterreich, in der heutigen Oberpfalz, in
Teilen von Mittel= und Oberfranken und im Egerlande. Die bayerische Kolo-
nisation griff aber auch über die politischen Grenzen deutscher Herrschaft
hinaus und gewann ausgedehnte Gebiete im nordöstlichen Italien, im west-
lichen Ungarn, im südlichen Mähren, im südlichen und westlichen Böhmen.
Die zukunftsreichsten Markenländer, Niederösterreich und Innerösterreich,
sind dem bayerischen Staate verloren gegangen. Der Nordgau ist zum
größeren Teile bei Bayern verblieben. Hier, auf dem Nordgau, begann die
Kolonisation schon in der Zeit der letzten Agilolfinger: in der Gegend von
Cham hatten die Mönche von St. Emmeram schon im 8. Jahrhundert großen
Besitz, schon damals erstand hier die „cella apud Chambe“ (Chammünster). Indes
systematisch wurde die Kolonisation erst betrieben seit der markgräflichen Organi-
sierung des Landes durch Karl den Großen.
Bei ihrer Einwanderung hatten die Bayern von dem nördlich der Donan
gelegenen Lande nur ein südwestliches Stück in Besitz genommen. Noch bedeckte
weitaus den größeren Teil des späteren Nordgaus Urwald, vom Bayerischen
Wald im Südosten bis zur Pegnitz im Nordwesten, vom Fichtelgebirge im
Norden bis tief herab ins Nabtal. Es genügt hinzuweisen auf die zahlreichen
späteren Ortsnamen auf reut, schwand, brand, hau, gefell, loh, wald, sowie
auf die Ausdehnung, welche die Urkunden dem Nordwald geben, und auf die
örtliche Lage einzelner Rodklöster.
Innerhalb dieses Waldlandes saßen zerstreut Slaven, sowohl Sorben-
wenden, die von Norden und Westen her vordrangen, als auch Tschechen, die
von Osten her einwanderten, ganz besonders in den Flußtälern der Eger,
Wondreb und Nab.