42 10. Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayerischen Stammes.
Von Norden her waren die Slaven bis in die Gegend von Eichstätt einer-
seits, von Premberg (B.-A. Burglengenfeld) anderseits vorgedrungen. Von
Osten her hatten sie zum mindesten den mittleren Regen erreicht; noch in der
Karolingerzeit begegnen Slaven in der Gegend von Pösing bei Cham.
Hier nun setzt die bayerische Kolonisation ein und dringt Schritt für
Schritt nach dem Norden vor, indem man teils die slavischen Siedelungen
besetzt teils auf neugerodetem Boden deutsche Kolonistendörfer anlegt. Noch
in dem Kapitulare von 805 erscheint das uralte Premberg als Grenzpunkt
deutschen Lebens. Gerade ein Jahrhundert später, 905, ist man über
Nabburg hinaus bis an die Luhe vorgerückt; ein Vasall des Markgrafen
Luitpold erhält hier eine Hufe, die vordem ein Slave besessen. Um die
Wende des 10. und 11. Jahrhunderts erreicht man die Waldnaab, einen
der Quellflüsse der Nab; hier, in der Gegend von Falkenberg, Altneuhaus
und Schwarzenschwal, scheint die deutsche Vorwärtsbewegung einige Zeit halt
gemacht zu haben. Aber noch in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts ge-
winnt man dem Urwalde und der slavischen Rasse eines der schönsten deutschen
Länder ab, das zwischen dem Böhmerwalde, Fichtelgebirge und Erzgebirge sich
hinziehende Egerland; bereits in einer Königsurkunde von 1061 erhalten wir
Kunde nicht bloß von der Existenz der Stadt Eger sondern auch von der
Reichsstraße, die Eger mit Nürnberg verbindet. Am Schlusse des 11., am
Anfange des 12. Jahrhunderts ist man bis zur Grenze des Schönbacher
Ländchens (im heutigen Vogtland), bis zum Fleissenbache vorgerückt. Ja be-
reits greift die Kolonisation nach dem sogenannten Regnitzlande bei
Hof über.
Es war ein gewaltiges Resultat bajuwarischer Kulturarbeit; von Premberg
bis zur Waldsteinkette und bis in das Vogtland bei Aadorf hinein erinnern
heutzutage nur mehr slavische Orts= und Flußnamen daran, daß hier ehemals
Slaven gesessen. Diese nationale Verschiebung vollzog sich teils durch deutsche
Einwanderung teils durch Entnationalisierung der Slaven, nicht aber durch
Vernichtung derselben. Daß in dem heutigen Sprachgebiet auch nach der
bajuwarischen Einwanderung eine nicht unbedeutende flavische Bevölkerung zu-
rückblieb, das beweist das Auftreten flavischer Personennamen in den Urkunden
noch des 13. und 14. Jahrhunderts und die Menge der slavischen Ortsnamen
vorbajuwarischer Entstehung. Aber die Geschlossenheit der Ansiedelungen hält
die bajuwarische Kraft zusammen; nicht der Bayer wird zuletzt von dem Slaven
assimiliert, sondern der Slave von dem Bayern.
Auch hier geht wie in Inner= und in Niederösterreich die Kolonisation
vom Großgrundbesitz aus. Bis an die Wende des 11. und 12. Jahr-
hunderts sind die Führer vorwiegend Laiengewalten: die Krone, die Mark-
grafen, namentlich die babenbergischen, ferner die gräflichen und freiherrlichen
Geschlechter, wie die Sulzbacher, Leuchtenberger, die Herren von Velburg, Alten-
dorf und Laber, endlich ganz besonders die zahlreichen Ministerialengeschlechter.