Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

44 11. Kloster Tegernsee. 
Einer so schwierigen und umfangreichen Kulturarbeit jedoch waren die 
einzelnen Grundbesitzer nicht gewachsen. Mit Aussicht auf raschen Erfolg konnte 
damals nur eine im Mönchtum einheitlich geordnete und zahlreiche Arbeiterschaft 
den Anbau ganzer Länderstriche wagen. Die Stiftung eines Klosters kam in jencn 
Zeiten einer wahren Großtat gleich; denn jedes Kloster bedeutete für seinen 
weiten Umkreis einen Brennpunkt für das wirtschaftliche wie für das geistige 
Leben. 
Oatilo und Tassilo, die letzten bayerischen Herzoge aus dem Geschlechte der 
Agilolfinger, hatten ihr Land mit einem Neb von Klöstern überzogen. Mit 
ihnen wetteiferten die Edlinge, allen voran jene aus der Sippe der Housi, die 
so güterreich waren, daß man nach ihnen einen eigenen Gau, den Housigau, 
benannte. Die Klöster Altomünster, Ilmmünster, Schlehdorf und Benedikt- 
beuern, im Housigau gelegen, sind Stiftungen dieser reichen bayerischen Adels- 
sippe. Doch auch im Sundergau, im Gebiete der Mangfall, besaßen die Housi 
nicht wenige Ländereien. Und gerade hier sollte durch ihren praktischen, religiösen 
Sinn ein Kloster erstehen, das an äußerem Glanz und geistigem Streben nicht 
bloß alle anderen Housiklöster übertraf sondern sogar manches herzogliche Kloster 
gleich von Anfang an in den Schatten stellte, das Kloster Tegernsee. 
Vor fast 1200 Jahren gehörten der Tegernsee und seine weitere Umgebung 
zwei Brüdern aus der Housisippe, namens Adalbert und Otkar. Der Welt 
entsagend hatten die beiden beschlossen sich selbst samt ihrem Eigentum 
Gott zu weihen. Dicht am östlichen Seeufer erhoben sich ihrem Willen 
gemäß bald ein Kloster nach der Regel des hl. Benediktus und eine Kirche, 
die später einen kostbaren Schatz, den aus Rom feierlich übertragenen Leib 
des hl. Martyrers Quirinus, bergen sollte. Als erstes Weihtum wurden 
St. Quirins Mönchen der fischreiche See, die Berge, Wälder und Sümpfe 
ringsum und der benachbarte fruchtbare Warngau überlassen; ferner erhielten 
sie Salzquellen zu Reichenhall und Weinberge bei Bozen. 
Mit dem Weihtum hatten die Tegernseer die übliche Verpflichtung über- 
nommen Sümpfe auszutrocknen und den Urwald zu roden. Am Nordufer des 
Sees breitete sich ein weites Moor aus. Da konnte man alsbald sehen, wie die 
Mönche das Gestrüpp ausbrannten, Gräben zogen um das Wasser abzuleiten, 
die Torfschollen zerstießen und umlegten und wie allmählich unter ihren nie 
rastenden Händen fette Wiesen und Weiden und die sogenannten Riederhöfe, 
dann Kailsried und Georgenried, Ortschaften bei Gmund gelegen, entstanden. 
Der nahe „Finsterwald“, der schon durch den Namen seine frühere Wildnis 
verrät, erdröhnte unter den Axthieben der Mönche. Erschien ihnen das 
Dickicht allzu groß, dann legten sie Feuer an und der Brand mußte die 
Arbeit der Menschenhände verrichten. Dicke Feuersäulen loderten zum Himmel 
empor, um dem Sonnenlicht den Zugang in die Waldesnacht zu bahnen und 
Platz für neue Siedelungen zu schaffen. Immer lichter wurde es im „Finster- 
wald“. Aus den Lichtungen aber schauten später Acker und Wiesen, Gärten
	        
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