Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

11. Kloster Tegernsee. 47 
Zeiten in Tegernsee für den Unterricht der Jugend. Unter Abt Rupert 
(1155—1186) besingt der Dichter Metellus in klassischen Versen die Wunder des 
hl. Quirinus, Priester Werinher beglückt die fromme Welt mit einem anmutigen 
Marienleben, geschrieben in deutscher Sprache. Sein Buch schmückte Werinher 
mit kostbarer Kleinmalerei, eine Kunstübung, die schon vor ihm Abt Ellinger 
in dem berühmten Tegernseer Salbuch zu herrlicher Geltung gebracht hatte. 
In der Kunst der Glasmalerei behauptete Tegernsee, wenn diese Kunst 
auch nicht dort erfunden ward, frühestens einen hervorragenden Platz. Ist doch 
von Abt Gozbert bekannt, daß er die bis dahin mit groben Tüchern verhängten 
Kirchenfenster durch buntfarbige Glasgemälde ersetzen ließ. Um das Jahr 1090 
war das Kloster durch eine Feuersbrunst zerstört worden. Für das neue 
Münster fertigte ein anderer Werinher fünf Glasgemälde. Der nämliche 
Werinher war auch in der Goldschmiedekunst und Bildhauerei wohl bewandert 
und darin den Spuren des Klerikers Adalrich, des ersten deutschen Glocken- 
gießers, gefolgt, der seinerzeit im Auftrage des Abtes Gozbert die Quirinus- 
glocke gegossen hatte. 
In Kunst und Wissenschaft, in strenger Selbstzucht und ernster Frömmig- 
keit war Kloster Tegernsee vom 10. bis zum 13. Jahrhundert gleicherweise 
ausgezeichnet und sein Ruhm in aller Munde. Kein Wunder, wenn sich 
fremde Klöster gerade aus Tegernsee Mönche als Lehrer und Reformatoren 
des geistigen und geistlichen Lebens erbaten, wie das (1015) neu errichtete 
Kloster St. Ulrich in Augsburg, Kloster Feuchtwangen (1000), das verfallene 
Stift Benediktbeuern (1032). Der Reformeifer der Tegernseer Mönche war 
in dieser Periode vielfach zum Sauerteig geworden für das religiöse Leben 
und Streben im südlichen Deutschland. Tegernsee hatte damit den Glanzpunkt 
seiner zweiten Blüte erreicht. 
Die nun folgenden zwei Jahrhunderte haben in der Geschichte des 
Klosters wenige Spuren hinterlassen. Im ganzen genommen war es jedoch 
eine Zeit des inneren und äußeren Verfalles. Wiederholt geriet Tegernsee 
in Streit mit den Mächtigen und war darob mit Brand und Plünderungen 
heimgesucht worden. Die Abte umgaben sich mit fürstlichen Ehren und Ab- 
zeichen und stürzten das Kloster in Schulden. Der Weltsinn hatte auch in 
Tegernsee die klösterliche Disziplin gelockert. Doch früher als in anderen 
Klöstern setzte in unserm Kloster die Reform ein, hauptsächlich durch die 
Tätigkeit des Abtes Aindorfer (1426—1461), die den Beginn einer dritten 
Blüteperiode bezeichnet. In kurzer Zeit befreite er das Kloster von einer 
drückenden Schuldenlast, brachte die herabgekommenen Gebäude in neuen 
Stand, verbesserte die lockere Disziplin und zog eine Reihe ausgezeichneter 
Ordensleute heran, die nachher als Abte die Klöster Andechs, Benediktbeuern, 
Scheyern und Oberaltaich zu leiten berufen waren. Aindorfers Nachfolger in 
der Abtwürde, Ayrnschmalz (1461—1492), setzte das so glücklich begonnene 
Reformwerk fort, erbaute 1471 die Stiftskirche von Grund auf, schmückte sie
	        
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