125. Einnahme von Orléans. 599
Der Krieg, der vielen schon fast beendet schien, trat in völlig neue Ver-
hältnisse ein und verlängerte sich ins Ungewisse. Wieder nahm er einen
dramatischen Zug an, der seit Metz und Sedan geschwunden war, die Ent-
wickelung erregte aufs neue erwartungsvolle Spannung. Ganz Europa,
dessen Völker die unerhörten Siege der bisher gering geachteten Deutschen
nicht ohne einige Mißgunst gesehen hatten, verfolgte mit höchstem Interesse
den wiederbelebten Waffengang.
Bayerische Artillerie im Kampfe bei Toulmiers.
Da der Feind über die Loire bis nach Salbris gewichen war, beschränkte
sich Tann bei der geringen Zahl seiner Truppen darauf den Flußabschnitt
bei Orléans zu halten, während die 22. Division und die 4. Kavalleriedivision
die zahlreichen Freischaren im Nordwesten vertreiben sollten. Am 18. Oktober
fanden sie die offene Stadt Chäteaudun durch Barrikaden verschlossen und
von Franktireurs, denen sich die Einwohner kämpfend zugesellten, hartnäckig
verteidigt. Die Division stürmte die in Brand geschossene Stadt noch spät abends
in gräßlichem Handgemenge; Chäteaudun, großenteils ein rauchender Schutt-
haufen, büßte mit fast völligem Ruin. Durch sein grausiges Schicksal gewarnt,
ergab sich am 21. Chartres, wo den regulären Truppen Abzug gewährt
wurde.
Der von Gambetta ernannte neue Oberbefehlshaber, General d'Aurelle
de Paladines, der in kurzer Zeit durch Strenge und fleißige Ubung seine