Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

604 126. Eine gefährliche Eisenbahnfahrt. 
wegs wieder Wassernot eintritt, man nicht hilflos sei; also schnell mit vereinten 
Kräften die Feuerspritze beigefahren, aufgepackt und in einen Bahnwagen 
hinein und mit ihr die rasch auseinandergeschraubten Schläuche — kein Stück 
davon wurde zurückgelassen. Nun aber fort! 
Triumphierend dampft der „von der Tann“ mit seinem Bahnzuge, teils 
besetzt von Kranken und Verwundeten, teils beladen mit allen möglichen 
Gegenständen: Ersatzmonturen, namentlich Stiefeln und Wäsche, Liebesgaben, 
Furage u. s. w. unter dem Wutgeheul und den Verwünschungen der ange- 
sammelten Volkshaufen zum Bahnhof hinaus. Vor dem Bahnhof führte eine 
Wegbrücke über das Geleise, dicht besetzt von Franzosen, welche bei unserem 
Abzuge zu Fuß vor einer Stunde ein Hohngeschrei aufgeschlagen hatten, bei 
unserer Wiederkehr mit der Maschine uns mit Verwünschungen überschütteten, 
jetzt aber, als wir den von ihnen schon als gute Beute erachteten Bahnzug 
davonführten, Miene machten Steine und was sie sonst zur Hand bekommen 
konnten auf uns niederzuschmettern; einzelne von ihnen waren mit Waffen 
versehen. Aber die 20 vom Tender aus auf sie gerichteten Chassepots hielten 
sie doch in Respekt und ihr Verwünschungsgejohle tat den Abziehenden nicht 
weh. In Les Aubrais luden diese ihr Gepäck und die zurückgebliebenen Ge- 
nossen ein und kamen unbehelligt nach Artenay, wo der erste Zug schon hinter- 
stellt war. 
Hier erhielt das Detachement der Feldeisenbahn-Abteilung gegen Abend 
die Kunde von dem Ausgang des Treffens bei Coulmiers und brachte noch 
den einen der beiden Bahnzüge bis Etampes, einer zwischen Paris und Orléans, 
etwas näher an ersterer Stadt gelegenen Bahnstation, wo die Maschine über- 
nachtete um am andern Morgen (10. November) mit Tagesgrauen wieder auf- 
zubrechen und die Sachlage bei Artenay zu erkunden. 
Wiederum verzögerten kleine Unfälle an der Maschine die Fahrt. Auf 
dem Wege nach Toury — etwa 13 km vor Artenay — wurde dem Ingenieur 
von der Weiterfahrt dringend abgeraten, da Artenay bereits von den deutschen 
Truppen geräumt sei. Aber auch der dort noch stehende Zug, obwohl zum 
weitaus größten Teile bereits geleert, sollte nicht im Stiche gelassen werden, 
da schon das Wagenmaterial an sich für die Bayern zu wertvoll war. Das 
Detachement machte sich daher trotz aller Warnungen auf den Weg. Zwischen 
Toury und Artenay zieht die Bahnlinie fortwährend in geringer Entfernung 
von der Landstraße hin, auf welcher die von Coulmiers herkommenden deutschen 
Truppenkörper sich gegen Toury bewegten. Alle Augenblicke kamen nun 
Offiziere von der Straße her gegen unsere Maschine angesprengt mit dem Zu- 
rufe, Artenay sei geräumt, wir sollten uns hüten noch dahin zu fahren. Mit 
dem oftmaligen Aufhalten verlor man viel Zeit. Da bedeutete halbwegs 
Artenay dem tapferen Ingenieur ein Generalstabsoffizier, daß die Abholung 
des dort stehenden Zuges noch nicht unmöglich sei, und nun war kein Halt 
mehr. Mit Volldampf sauste die Lokomotive trotz alles Winkens von der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.