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eine kurze Ruhe und will sich schlafen legen, aber plötzlich wird von neuem
alarmiert, man plaudert mit den Kameraden und zu gleicher Zeit fällt eine
Granate mitten ins Biwak und reißt zwei Soldaten wörtlich in Stücke.
Auch die Verpflegung legt den Truppen herbe Entbehrung auf; denn
das Fleisch ist oft viele Tage lang ferne und die Kartoffeln der umliegenden
Felder sind zerstört oder aufgebraucht.
Ein lichter Punkt in all den Mühen, ja fast ein festlicher Moment ist
es, wenn abends der Bataillonstambour erscheint und die Feldpost unter
Namensaufruf verteilt wird. Wie viel Freude machen die wenigen Zeilen,
wie viel Glück umschließt oft ein kurzer Gruß! Das ganze liebe Bild der
Heimat steht auf einem zerknitterten Blatt vor uns. Und wenn nun vollends
ein Zeitungsblatt kommt, — ein Brief für alle, — das ist ein Luxus, ein
Leckerbissen der wertvollsten Art. Auch hier fehlt es nicht an reizenden
Szenen; so erhielt, um nur ein Beispiel anzuführen, ein junger Gelehrter,
der als Landwehrmann im Felde stand, als er kaum aus dem Treffen kam,
eine Nummer der Zeitung, in welcher sein jüngstes Werk auf das rühm-
lichste besprochen ward. Dieser Mann ist gemeiner Soldat im deutschen
eere!
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Von Abdolf Erhard.)
Auf den 4. Januar 1871 war die Eröffnung des Feuers für die Batterien
des Südangriffes vor Paris befohlen worden, doch des dichten Nebels
wegen konnte man weder ein feindliches Fort noch eine Batterie des Gegners
erkennen. Man mußte also warten. Der Befehl vom 4. kam tags darauf
zum Vollzug. Um 9 Uhr früh begann die deutsche Batterie Nr. 17, erbaut
und besetzt von der 2. Fußbatterie „Limprun“ des 1. bayerischen Artillerie-
Regiments „Prinz Luitpold“, das Feuer, welches völlig erst in der Nacht vom
26. zum 27. Januar enden sollte.
In diese Batterie kam am 8. Januar 1871 abends die Ablösung unter
Kommando des Oberleutnants Karl Landmann, wegen des hohen Kranken-
standes zur Hälfte aus preußischen und bayerischen Kanonieren zusammengesetzt.
Mit Rücksicht auf die ungewöhnlich starken Verluste, welche die Batterie erlitten,
und darauf, daß sie ihre Aufgabe die feindlichen Geschütze in und bei Issy
niederzukämpfen vollständig erfüllt hatte, gab Hauptmann Ritter von Limprun
dem ablösenden Oberleutnant im Einvernehmen mit dem Stabsoffizier vom
Tage den Auftrag, falls die Herstellung der Schulterwehr zur Deckung gegen
Flankenfeuer nicht gelingen sollte, die Batterie zu räumen.
Obschon nun diese für längeres Besetzthalten gestellten Bedingungen
mangels genügender Arbeitskräfte nicht erfüllt werden konnten, wollte Ober-
„Bayerische Einzeltaten und Gefechtsbilder“. Nr. 30, S. 85.