618 134. Aus dem Briefwechsel zwischen König Ludwig II. und Graf Bismarck.
Entschließungen Eurer Majestät zu würdigen berufen bin, durch welche Eurer
Majestät beim Beginne und bei Beendigung dieses Krieges der Einigkeit und
der Macht Deutschlands den Abschluß gegeben haben. Aber es ist nicht meine,
sondern die Aufgabe des deutschen Volkes und der Geschichte dem durch-
lauchtigen bayerischen Hause für Eurer Majestät vaterländische Politik und für
den Heldenmut Ihres Heeres zu danken. Ich kann nur versichern, daß ich)
Eurer Majestät, solang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und er-
geben sein und mich jederzeit glücklich schätzen werde, wenn es mir vergönnt
wird Eurer Majestät zu Diensten zu sein. In der deutschen Kaiserfrage habe
ich mir erlaubt dem Grafen Holnstein einen kurzen Entwurf vorzulegen,
welchem der Gedankengang zu Grunde liegt, der meinem Gefühl nach die
deutschen Stämme bewegt: der deutsche Kaiser ist ihrer aller Landsmann, der
König von Preußen ein Nachbar, dem unter diesem Namen Rechte, die ihre
Grundlage nur in der freiwilligen Übertragung durch die deutschen Fürsten
und Stämme finden, nicht zustehn. Ich glaube, daß der deutsche Titel für
das Präsidium die Zulassung desselben erleichtert, und die Geschichte lehrt,
daß die großen Fürstenhäuser Deutschlands, Preußen eingeschlossen, die
Existenz des von ihnen gewählten Kaisers niemals als eine Beeinträchtigung
ihrer eigenen europäischen Stellung empfunden haben. )
v. Bismarck.
b) Hohenschwangau, 2. Dezember 1870.
Mein lieber Graf!
Mit lebhaftem Vergnügen habe ich bemerkt, daß Sie trotz zahlreicher
und dringender Geschäfte Muße gefunden Ihren Gefühlen gegen mich Aus-
druck zu verleihen.
Ich sende Ihnen deshalb meinen wärmsten Dank; denn ich lege hohen
Wert auf die ergebene Gesinnung eines Mannes, nach dem das ganze Deutsch-
land freudigen Stolzes seine Blicke richtet.
Mein Brief an Ihren König, meinen vielgeliebten, hochverehrten Oheim,
wird morgen in dessen Hände gelangen. — Ich wünsche von ganzem
Herzen, daß mein Vorschlag beim Könige, den übrigen Bundesgliedern, welchen
ich geschrieben, und auch bei der Nation vollsten Anklang finde, und ist es
mir ein befriedigendes Bewußtsein, daß ich vermöge meiner Stellung in
Deutschland wie beim Beginne so beim Abschlusse dieses ruhmreichen Krieges
in der Lage war einen entscheidenden Schritt zu Gunsten der nationalen
Sache tun zu können. Ich hoffe aber auch mit Bestimmtheit, daß Bayern
seine Stellung fortan erhalten bleibt, da sie mit einer treuen, rückhaltlosen
Bundespolitik wohl vereinbarlich ist und verderblicher Zentralisation am
sichersten steuert.
!) Der Kürze halber sind bei Brief a und c die Kurialien weggelassen.