137. Einzug der bayerischen Truppen in München. 625
137. Einzug der bayerischen Truppen in München.
Von Hugo Arnold.1)
Zum festlichen Einzuge in München wurde von unserem Regiment eine
Abordnung kommandiert, bestehend aus mir, dem Oberleutnant und Bataillons-
adjutanten Brand, 1 Sergenten, 6 Korporälen und 68 Mann; unser Bataillon
stellte dazu 25 Mann. Am 14. Juli brachte ein endlos langer Sonderzug
uns und eine Reihe anderer Abteilungen nach München, wo die Mannschaft
in der Türkenkaserne untergebracht wurde. Gleich darauf eilte ich nach Hause,
in die Arme der Eltern und Geschwister. Das bewegte Wiedersehen zu schildern
habe ich keine Worte. Mein Bruder ging damals noch an Krücken — er war
zum Krüppel geworden; aber er und die Eltern klagten nicht; auch unsere
Familie hatte dem Vaterlande ein Opfer gebracht.
Ein wunderbarer Sommertag voll Sonnenglanz und flutenden Lichtern
brach am 16. Juli, einem Sonntage, an; auch der Himmel zeigte hochfestliche
Stimmung. Das Detachement unseres Regiments gehörte zu dem kombinierten
Linienbataillon, das unter dem Befehle des Oberstleutnants Grafen von Joner
unseres Regiments aus den Abordnungen der nicht zur Garnison München
gehörenden Infanterieabteilungen gebildet und mit dem 2. Regiment und dem
kombinierten Landwehrbataillone bei der 2. Brigade eingeteilt war. Morgens
6 Uhr formierte sich das Bataillon im Kasernenhofe und marschierte auf den
Exerzierplatz Oberwiesenfeld, damals noch „Kugelfang“ genannt. Um 8 Uhr
war die Aufstellung der Truppen in drei Treffen vollendet; hierauf wurden
der Armeebefehl, in welchem unseres Königs Majestät dem Heere huldreichen
Dank aussprach, und die neuverliehenen Ordensauszeichnungen bekanntgegeben;
ich selbst hatte das Eiserne Kreuz II. Klasse erhalten. Dann kamen, von
Musik, Trommelwirbel und lauten Hurrarufen begrüßt, unsere Feldherren,
die Generale von der Tann und von Hartmann, hierauf Se. K. Hoheit Prinz
Luitpold und gegen 9½ Uhr verkündeten Kanonendonner und nimmer endende
Hochrufe das Nahen Sr. Majestät des Königs von der Theresien= und Sr. K.
Hoheit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von der Dachauerstraße her, dann
die Ankunft Ihrer Majestät der Königin-Mutter, der Prinzen und Prinzessinnen
des Königlichen Hauses.
Kronprinz Friedrich Wilhelm meldete sich beim König. General Freiherr
von der Tann erstattete den Frontrapport, die Regimenter präsentierten das
Gewehr, die Fahnen senkten sich zur Huldigung vor ihrem Allerhöchsten Kriegs-
herrn, donnernd wie der Siegesruf auf dem Schlachtfelde erscholl aus den
Kriegerkehlen das begeisterte Hurra und von den Kapellen her klang feierlich
der Fahnenmarsch. Langsam ritten der König und ihm zur Linken der Kron-
prinz, dieser mit dem Marschallstab in der Hand, die Fronten ab, Bataillon
1) „Unter General von der Tann“, Feldzugserinnerungen, 2. Bändchen, S. 257 ff.
München 1896, Beck.
Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Baverns. 40