Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

140. Bayreuth. 637 
Der Zufall hat es nicht ohne sinnvolle Beziehung so gefügt, daß eines 
der bedeutendsten und besterhaltenen Denkmäler des markgräflichen Bayreuth 
ein Theatergebäude ist, das im Februar 1745 begonnene, im August 1749 
unter Dach gebrachte Opernhaus, als dessen Architekt wohl der seit 1743 am 
Bayreuther Hofe tätige, sonst ganz unbekannte Franzose Joseph St. Pierre zu 
gelten hat. Wenn wir auf dem Wege vom Bahnhof zur Stadt die Main- 
brücke überschritten und eine kleine Allee passiert haben, biegen wir in süd- 
östlicher Richtung in die Opernstraße ein und treffen an deren linker Seite 
bald auf das Gebäude, das der Straße ihren Namen gibt. Die zwischen 
Privathäuser eingebaute Front fällt zunächst nicht allzusehr auf. Erst bei 
genauerem Zusehen würdigt man ihre imposante, etwas schwere Schönheit 
und einen richtigen Begriff von der Größe des gewaltigen Gebäudes, das 
trotz seines riesigen Mansardendaches von außen angesehen verhältnismäßig 
unscheinbar wirkt, gewinnt man bei der Erwägung, daß allein die Bühne 
14,60 m hoch ist, bei einer Breite von 13,90 m und einer Länge von 30 m. 
Aber der eigentliche künstlerische Wert des Opernhauses liegt in seiner 
Innendekoration, die im Jahre 1748 von dem eigens zu diesem Zwecke 
nach Bayreuth berufenen Italiener Giuseppe Galli Bibiena innerhalb sechs 
Monaten hergestellt wurde, in Anlage und Ausführung ausgesprochener 
italienischer Barock. 
Echtes Rokoko zu studieren finden wir dagegen beim Besuche eines 
anderen Denkmals markgräflicher Bauleidenschaft reiche Gelegenheit. Wir 
meinen die Eremitage, das reizende Lustschloß, eine kleine Wegstunde öst- 
lich von Bayreuth gelegen, mit prunkvollen Baulichkeiten, lauschigen Park- 
anlagen, Wasserkünsten u. a. Ihre heutige Gestalt erhielt die in ihren älteren 
Teilen zu Anfang des 18. Jahrhunderts entstandene Eremitage unter Mark- 
graf Friedrich (1 1763), demselben Fürsten, der auch das Opernhaus er- 
richten ließ. Im Jahre 1736 hatte er die Anlage, wie er sie von seinem 
Vorgänger überkommen hatte, seiner Gemahlin Friederike Sophie Wilhelmine, 
der geistreichen Schwester des großen Preußenkönigs Friedrich II., zum Ge- 
burtstag geschenkt. Und der Geist dieser merkwürdigen Frau, die ihrem 
genialen Bruder so vielfach wesensverwandt und auch wieder so unähnlich 
war, dieser rastlos unbefriedigte Geist, dessen vielseitiges Interesse für Kunst 
und Wissenschaft den Anstoß zu all dem gegeben hat, was in jener Glanzzeit 
des Bayreuther Markgrafenhofes an Kulturarbeit geleistet wurde — dieser 
Geist ist es, dessen Andenken uns kein anderer Ort in so lebendiger Weise 
wachruft wie die Eremitage. Diese pikanten Boudoirs, die so getren die 
Grazie des echten Rokoko widerspiegeln, sind die Räume, in denen die viel- 
beredeten Memoiren der Markgräfin entstanden sind. Der ganz in Weiß und 
Gold gehaltene, mit Bildnissen schöner Hofdamen und Trophäen von Musik- 
instrumenten geschmückte Salon war ihr Musikzimmer. An die bizarren 
Launen ihres extravaganten Geschmacks erinnert das anstoßende Spiegel=
	        
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