Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

14. Die Ahnherrn des Wittelsbacher Fürstengeschlechts.) 53 
alles Gebiet östlich davon, das Karl der Große den Avaren mit dem Schwerte 
abgenommen und der deutschen Kultur zugeeignet hatte, Pannonien und die 
Ostmark gingen verloren; wo der bayerische Kolonist den Pflug über die 
gesegnete Flur geführt hatte, tummelte der Magyar sein Roß, nur das gebirgige 
Kärnten wurde gegen die ungarischen Reiterscharen behauptet. Niemals hat ein 
größeres Unglück den bayerischen Stamm getroffen. S. v. Riezler nennt diese 
Katastrophe ein Unglück, wie es sich im Verlauf der bayerischen Geschichte 
nicht wiederholt hat. Mit einem Schlage gab sie die Errungenschaften vieler 
Menschenalter der Vernichtung preis, entschied über den Verlust zweier herr- 
licher Marken, knickte die Blüte, hemmte für lange Zeit die Entwicklung der 
Hauptlande und drängte für immer Bayern aus der bevorzugten Stellung, 
welche es zuletzt unter den deutschen Stämmen eingenommen hatte. 
Jahr um Jahr wiederholten sich von nun an die Einfälle der Ungarn, 
welche die Gebiete der einzelnen Stämme verheerten, der Schwaben, der Franken, 
der Sachsen. Vereinzelt sank die Kraft dieser Stämme dahin, da der männliche 
König fehlte, der sie geeinigt hätte. Erst die glorreiche Schlacht auf dem Lech- 
felde (955), welche die um das kaiserliche Banner gescharten einigen deutschen 
Stämme schlugen, warf die Magyaren für immer in ihre Pußten zurück. 
14. Die Ahnherrn des Wittelsbacher Fürstengeschlechts. 
Von Karl Stieler.) 
Es liegt eine herbe Kraft im Worte Bayern und doch zugleich ein 
Zauber, wie ihn nur jemals herrliche Landschaft, kerniges Volkstum und ur- 
alte Geschichte bot. Die blauen Berge dieses Landes sind das Wanderziel für 
Tausende und in seinen Gauen herrschte schon zur Karolingerzeit eine mäch- 
tige Kultur, wenn wir nur jene Klöster nennen, wie Benediktbeuern, Wesso- 
brunn und Tegernsee, die Kunst und Wissenschaft in Tagen pflegten, da der 
deutsche Norden fast noch eine Wildnis war. 
Fester in sich geschlossen als die Mehrzahl der deutschen Stämme ging 
das bayerische Volk die Wege eigener Entwicklung und von allen Stämmen, 
die das neue Reich umfaßt, ist es der einzige, der noch auf den alten Wohn- 
stätten unter den alten angestammten Fürsten erhalten blieb, wie ihn einst das 
Reich der großen deutschen Kaiser gesehen. Es gibt kein Franken und kein 
Schwaben mehr im alten Sinne, das heutige Sachsen ist etwas anderes als 
das alte sächsische Stammland, nur in Bayern trifft noch Stamm und Staat 
zusammen. 
Vor nahezu einem Jahrtausend bestiegen die ersten Schyren den Thron, 
den sie nun seit siebenhundert Jahren ununterbrochen besitzen. Zu den ver- 
schiedensten Kronen der Welt, von Schweden bis nach Ungarn und Hellas, 
1) „Aus Fremde und Heimat“, S. 201 ff. Stuttgart 1886. A. Bonz.
	        
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