644 141. König Ludwigs II. Persönlichkeit.
Ludwig las viel, aber wie sein Urgroßvater war er eigentlich kein be-
sonderer Freund der Gelehrten. Doch sicherte er den Fortgang der Münchener
Historischen Kommission, indem er ihr mit seinem Bruder Otto zusammen die
Zinsen der Wittelsbacher Stiftung überwies. Erst unter seiner Regierung hat
sich die Münchener Hochschule zur zweitgrößten in Deutschland erhoben. Bei
ihrer 400 jährigen Jubelfeier, an der er regen persönlichen Anteil nahm, stiftete
er zur Förderung des Studiums der Geschichte ein Stipendium für jüngere
Historiker. Indem er Döllinger als Liebigs Nachfolger für den Präsidenten-
stuhl der Akademie ersah, hat er den rechten Mann an die richtige Stelle gesetzt.
Sein früherer Stiftspropst war fortan sein wissenschaftlicher Berater, von dem
er sich öfters Vorträge halten ließ, und auf die Wahl des Themas für seine
Festreden in der Akademie hat er mehrfach bestimmend gewirkt; kaum konnte
er den Druck abwarten und mit dem größten Interesse und Genuß pflegte
er sie zu lesen.
Der König war aber auch ein gediegener Kunstkenner und Kunstbeurteiler.
Die Architektur ist seine Lieblingsbeschäftigung geblieben. Wenn auch die pro-
jektierte Kunststraße in München, da, wo sich jetzt die Prinzregentenstraße hin-
zieht, unausgeführt blieb, so sichert Ludwigs Andenken doch eine Reihe von
Schöpfungen auch in seiner Hauptstadt. Des Polytechnikums und der neuen
Akademie sei nur nebenbei gedacht; das Nationalmuseum wurde erst unter
ihm eingeweiht, am 28. Oktober 1864. Er wünschte, daß das Museum immer
mehr eine Bildungsanstalt für Künstler, Gelehrte und insbesondere für Kunst-
handwerker werden möge. In Verbindung mit den Sammlungen wurde eine
Gipsformatorei, eine photographische Anstalt und eine Fachbibliothek angelegt.
Im Interesse der Feuersicherheit wurden mehrfach bauliche Verbesserungen vor-
genommen, auch wurde nunmehr der Garten hinzugefügt. Das Maximilianeum
wurde erst 1874 vollendet. In der Residenz wurde eine Reihe von Prunk-
räumen im Stile Ludwigs XIV. mit unerhörtem Luxus ausgestattet und der
neue Wintergarten entzückte die wenigen Besucher durch seine märchenhafte
Gestalt, wenn auch das Äußere keineswegs zur Verschönerung der Nordfassade
beitrug. Noch eine ganze Reihe von Profanbauten, meist im Stile der Hoch-
renaissance, entstand, dagegen ist die kirchenbauliche Entwicklung Münchens in
dieser Zeit etwas zurückgeblieben. Auf dem Gebiete der Plastik sei hier nur
das Goethemonument von Widnmann und das Denkmal Max' II. von Zum-
busch genannt. Von Helbig rührt die kolossale Kreuzigungsgruppe auf dem
Osterbichel her, ein Geschenk Ludwigs für Oberammergau. Auch sonst fehlte
es den schaffenden Künstlern in München nicht an Gelegenheit zur Anregung
und zur Betätigung. Die allgemeine Kunst= und Gewerbeausstellung in der
Hauptstadt 1876 war von den günstigsten Folgen für den Aufschwung des
deutschen und bayerischen Kunstgewerbes und in ähnlichem Sinne ist auch des
Königs Bautätigkeit in den Bergen der Allgemeinheit zugute gekommen. Er
hat hier das Höchste noch nicht erreicht — so wenig wie unsere Zeit — aber