Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

142. Unser Prinzregent Luitpold. 647 
Gipfel des Lebens war, schrieb der Römer von ihnen: Principes pro vic- 
toria pugnant, comites pro principe.# (,Die Fürsten kämpfen für den 
Sieg, die Gefolgschaft für den Fürsten.“) 
Pro principe! ist auch heute unsere Losung, doch nicht zu Kampf und 
Fehde, sondern zu einem schönsten Friedens= und Freudenfest. 
Heute weht die weißblaue Fahne am Gestade des Bodensees wie an der 
Isar, im stillen Waldland an der Saale wie in der fröhlichen Pfalz, nach 
uraltem Brauch, dem Wiegenfest des Landesherrn zu Ehren. Doch Bayern 
feiert nicht allein; alle Deutschen im Reich wie in der Fremde huldigen 
dem achtzigjährigen Fürsten, von dem das Wort des weisen Königs gilt: 
„Eine Ehrenkrone ist das Alter, auf dem Wege der Gerechtigkeit wird sie 
gefunden!“ Wo wäre eine Partei, die nicht vor einem achtzigjährigen makel- 
losen Leben Ehrfurcht empfände? Wessen Herz wäre so verhärtet, daß es nicht 
dem greisen Herrn entgegenschlüge, der, hochgefürstet, immer schlicht und recht 
seine Pflicht getan, der darin den Mächtigen der Erde wie dem „kleinen Manne“ 
als Beispiel dienen kann? Das ist die wahre Weihe, die reine Freude dieses 
Märztages: freiwillig neigt sich alt und jung, reich und arm vor einem 
Ehrwürdigen! 
Ehrwürdig macht ihn nicht bloß sein Alter, seine Abkunft, sondern auch 
sein persönliches Verdienst. Er war immer ein guter, ein leutseliger und doch 
ein ganzer Mann. Der unvergängliche Schimmer einer großen Zeit verklärt 
seine Gestalt, sein Leben und Wirken gereichte seinem Stammland wie der 
ganzen deutschen Nation zum Heil. 
Wer aufrichtig und unbefangen den Zeitlauf seit den verhängnisvollen 
Junitagen des Jahres 1886 prüft, muß die Stetigkeit einer günstigen Ent- 
wicklung in den bayerischen Landen einsehen. Furcht und Hoffnung knüpfen 
sich an jeden Regierungswechsel. Jene schwand sehr bald, diese dagegen wurde 
nicht enttäuscht. Selbst der galligste Nörgler muß wenigstens zugestehen, daß 
sich der bayerische Staat und seine Angehörigen niemals besser befunden haben. 
Schmerzliche Stunden, schwere Prüfungen, Trauer um unersetzliche Ver- 
luste blieben auch dem Gefeierten nicht erspart. Doch ruhige Naturen wie er 
wandeln unter einem freundlichen Gestirn. Ihm war das schöne, vielleicht 
das schönste Glück vergönnt von seiner Knabenzeit bis ins Alter sich selber 
treu bleiben, sich harmonisch ausleben zu können, wie Goethe sagt: sich unbe- 
wußt seines Daseins zu erfreuen! — — 
Wenn unser Fürst seinem Leben nachsinnt, welche Fülle von unvergeß- 
lichen Eindrücken, bedeutenden Gestalten, großartigen und erschütternden Ereig- 
nissen stellt sich ihm dar! Die Kuppel von San Pietro steigt vor ihm auf, 
die Akropolis im rosigen Morgenlicht, die Cheops Pyramide im Sonnenbrand! 
Er sah Versailles im trügerischen Glanze des zweiten Kaiserreiches und in 
der hehren Stunde, die den Deutschen einen Kaiser gab. Furchtbare wie
	        
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