54 14. Die Ahnherrn des Wittelsbacher Fürstengeschlechts.
wurden ihre Söhne und Töchter berufen und selbst der deutsche Kaiserstuhl
trug dreimal einen Wittelsbacher Fürsten.
Viel Glück und Not, viel Freud' und Leid liegt in der langen Frist
dieser Jahrhunderte und fester, als es wohl sonst geschehen mag, verwuchs
dabei das Volk mit seinen Herrschern. Man hat dies oft zur Unzeit „Parti-
kularismus“ genannt, aber man vergißt dabei, daß man die Treue zuerst im
eigenen Hause lernt und daß es dem Ganzen nur zustatten kommt, je inniger
sich dies Gefühl historisch entwickelt. Den besonderen Vorzug aber, den die
eigenartige Gestaltung Deutschlands darbot, indem sie eine Mehrheit geistiger
Mittelpunkte schuf, zeigt gerade Bayern in ber glänzendsten Weise; trotz der
Abgeschlossenheit, der es bisweilen anheimfiel, trotz der schweren Prüfungen,
die auf dem langen Wege vom Herzogtum zum Königreiche lagen, hat es doch
zum Heile des Ganzen Unendliches geleistet. Nicht wir allein, ganz Deutsch-
land ist stolz auf eine Stadt wie München.
Mit den Tagen der Not, der Mutter alles Großen, beginnt auch die
Geschichte des Wittelsbachischen Fürstenhauses. Es war um das Jahr 900,
als das Karolingerreich schon sank und die wilden Horden der Ungarn über
die deutsche Grenzmark brachen; da stand unter den Tapfern, die ihnen ent-
gegentraten, der Markgraf Luitpold auf. Er ist der Ahnherr der heutigen
Wittelsbacher, und als er am 5. Juli 907 in blutiger Schlacht gefallen, er-
hielt sein Sohn, der Markgraf Arnulf, die bayerische Herzogswürde.
Bis an die Adria und bis an den Wienerwald reichte damals der Name
Bayern, wie ja auch heute noch der Stamm der Bayern weit über die Grenzen
ihres Landes hinausreicht und ganz Deutschösterreich, Salzkammergut und
Tirol umfaßt.
Die Luitpoldinger, die mit Arnulf den Thron erlangt, den sie freilich
zunächst nur kurze Zeit behaupteten, bilden gleichsam den „Prolog der Wittels-
bachischen Geschichte", wie Theodor Heigel, der geistvolle Historiker, sich aus-
drückt.
Ihre Abstammung scheint nicht gesichert, aber aller Wahrscheinlichkeit nach
berührt sich dieselbe mit dem Geschlechte der Karolinger, die in ihren Urkunden
auch den Markgrafen Luitpold stets „ihren lieben Verwandten“ nennen; nach
anderer Meinung hängen sie mit den uralten Housiern zusammen, einem jener
mächtigen Adelsgeschlechter, die schon im 6. Jahrhundert in Bayern auf-
traten.
Da sie indessen mit der Reichsgewalt nur allzubald in Fehde kamen, gab
Otto I. das bayerische Herzogtum an einen Angehörigen seines Geschlechtes und
die Luitpoldinger traten einstweilen wieder zurück, bis der Staufe Barbarossa
sie von neuem und nun für immer auf den bayerischen Thron berief. Nach
der Burg zu Scheyern, die wohl schon Arnulf zu bauen begann, wurden
sie auch die Schyren genannt; nach einer zweiten Burg, die am „Witilines-
bach“ bei Aichach stand, heißen sie seit 1113 die Grafen von Wittelsbach.