142. Unser Prinzregent Luitpold. 649
Sobald der Prinz großjährig geworden war, bestürmte er den Vater
ssich dem Heeresdienst widmen zu dürfen. Daß er sich für die Artillerie ent-
sschied, beweist den Ernst und die Einsicht des Königssohnes. „Man sagt,
idaß nach dem Beispiel der Römer die Legion eine Armee im Kleinen sein
müsse,“ sagt Napoleon in der Kritik einer militärischen Schrift, „und doch
nimmt man ihr das Notwendigste, das Wichtigste, die Artillerie.“ Doch trotz
der hohen Meinung, die der größte Feldherr der neuen Zeit von ihr hegte,
war die Bedeutung der Artillerie damals keineswegs allgemein anerkannt, die
Mißachtung der Waffe in der friederizianischen Zeit wirkte noch nach. Auch
für diese Zukunftsmusik kam erst nach und nach das Verständnis.
„Luitpold sahen wir,“ schreibt König Ludwig am 31. August 1840 an
seinen Sohn Otto, „zwei Batterien im Feuer manövrierend, und das sehr
gut: er ist ein ganz anderer Mensch bei seinen Kanonen!“ Das heißt: im
Dienst kannte der Prinz nur die militärischen Tugenden. Mit Leutseligkeit
und Nachsicht, die einem hohen Herrn sonst so wohl stehen, zieht man keine
Soldaten. Im Dienste streng und stramm, im außerdienstlichen Verkehr freund-
lich ohne Vertraulichkeit, so gewann er das Zutrauen des Soldaten und den
Respekt der Kameraden.
Auch seine Aufgabe als Reichsrat nahm er ernst. König Friedrich Wil-
helm IV. von Preußen rühmt in Briefen an den Kronprinzen Maximilian
wiederholt die Rechtschaffenheit und den Eifer des Neffen in seiner parlamen-
tarischen Tätigkeit und dessen Takt in bedenklichen Krisen.
Auf die Lehrjahre folgten die Wanderjahre. Natürlich zog es den Sohn
Ludwigs I. zunächst nach Italien. Ein junger, liebenswürdiger Grandseigneur,
für die Schönheit der bildenden Kunst ebenso empfänglich wie für die Schön-
heit der lebendigen Natur, verlebte er sicherlich herrliche Tage in Venedig, in
der Blumenstadt, in der ewigen Roma. Doch die köstlichste Frucht und den
besten Segen brachte ihm sein Aufenthalt in Neapel. Dort in der Villa
Chiatamone begegnete er der Prinzessin Augusta. Tochter des Großherzogs
von Toskana. Damit brach für ihn ein beglückender Liebesfrühling an. Nicht
oft können Söhne und Töchter fürstlicher Familien nach ihrer Herzensneigung
wählen, anderseits führen Neigungsheiraten nicht immer zu einer glücklichen
Ehe. Unser Prinz warb aus Liebe um die Hand des Mädchens und seine
zwanzigjährige Ehe war ununterbrochenes Glück. Eins waren die Gatten in
ihrer Weltanschauung, in der Auffassung ihrer Pflichten, in den Grundsätzen,
nach denen sie ihre Kinder erzogen. Auf dieses stillfreudige, nie getrübte Ehe-
leben in einem fürstlichen Hause muß heute, da wir unsere beste Kraft zum
Kampfe um die Zukunft nur aus unserm ureigensten germanischen Wesen
schöpfen, mit besonderem Nachdruck hingewiesen werden. „Severa illic matri-
monialt („Ernst und streng ist dort das Eheleben“).
Bald nach der Rückkehr des Prinzen in die Heimat fand die Werbung
statt und nach neuen Reisen in Spanien, Portugal und Marokko führte