650 142. Unser Prinzregent Luitpold.
der Prinz seine Verlobte im schönsten Dome der Welt, im Dom zu Florenz,
zum Traualtar. Der deutsche Prinz muß einen liebenswürdigen Eindruck auf die
Landsleute seiner Braut gemacht haben. Als ich vor zehn Jahren auf einer
Wanderung durch umbrisches Gelände in dem bescheidenen Dörfschen Ripafratta
Rast machte, wurde ich vom greisen Wirtspaar mit gutmütiger Neugier nach
dem Wohin und Woher gefragt. Als ich meine Heimat nannte, erinnerten sich
die Alten sofort des principe bavarese, der — molto tempo faà — in Firenze
Hochzeit hielt, und wurden bei meinen Nachrichten von ihm jugendlich lebendig!
Das glückliche Familienleben trug wesentlich dazu bei, im reifenden
Manne das schöne Gleichgewicht von Wollen und Können, von Ehrgeiz und
Einsicht zu festigen, das den Hochgestellten sowohl vor abenteuerlichen Wag-
nissen, zu denen das Jahr 1848 genugsam Gelegenheit bot, wie vor verhängnis-
vollem Widerstreben gegen das Unabwendbare schützte. Eine neue Zeit im
Völkerleben meldete sich stürmisch an. Der Prinz blieb der rechtschaffene,
pflichtgetreue Mann wie immer. Die Unruhe und Schwüle der Gemüter
bei der Veränderung Jahrhunderte gültiger Werte, wenn sie je seiner sich be-
mächtigten, trug er nicht in den Frieden seines Daheims. Erst in den sechziger
Jahren kamen die Prüfungen, unter denen er um ein Wort Schillers zu ge-
brauchen „die Erfahrung seiner Kraft machte“ und bewies, daß es nicht nur
die glücklichen Umstände waren, die ihm „alle Pflichten zum leichten Spiel“
gestalteten. Entrissen ward ihm in einer kurzen Spanne Zeit der Bruder
und treueste Freund, sein edler König Max, die Schwester Hildegard, die treue,
geliebte Lebensgefährtin und Mutter seiner Kinder!
Das Jahr 1864 hatte heiter begonnen. Im Fasching fand auf Befehl
und nach den Angaben des Königs ein glänzendes Kostümfest im Residenz-
theater statt. Die Hofgesellschaft erschien zu demselben in der Tracht, die
100 Jahre früher bei der Eröffnung des Theaters am Hofe des Kurfürsten
Max III. Joseph die übliche war. Prinz Luitpold stellte den Kurfürsten dar,
Königin Marie die Kurfürstin. König Max, fröhlich mit den Fröhlichen,
hatte dem Schauspiel und Tanz bis zum Schlusse beigewohnt. Schon ein
paar Wochen später harrte die kalte Winternacht hindurch eine tausendköpfige
Menge vor dem erleuchteten Königsschloß und betete für ihren tödlich er-
krankten Fürsten und brach in Schluchzen und Wehklagen aus bei der Bot-
schaft, daß sich die guten Augen des Königs für immer geschlossen hatten.
An seiner Bahre weinte ein ganzes, wehzerrissenes Volk, denn wir Deutsche
danken ehrlich unsern Fürsten Lieb' mit Liebe!
Am 14. März gab Prinz Luitpold dem Bruder das letzte Geleit. Un-
mittelbar darauf rief ihn die Nachricht von der schweren Erkrankung der Erz-
herzogin Hildegard, Gemahlin Erzherzog Albrechts, nach Wien. Er traf an
einem Totenbette ein. Die erst 38 jährige war dem Excelsior! ihres könig-
lichen Bruders nachgefolgt. In schwarzen Gewändern, in aller Stille
beging der Heimgekehrte am 15. April mit seiner Familie die 20jährige Hoch-