652 142. Unser Prinzregent Luitpold.
hat. Unter besonders kritischen Verhältnissen war er der Vermittler zwischen
dem deutschen Hauptquartier und dem Wiener Hofe und seinem Einflusse war
es zu danken, daß die deutsche Heeresleitung nicht länger mehr besorgt das
österreichische Grenzgelände im Auge zu behalten brauchte.
Und am Ende standen die Begleiter des obersten Kriegsherrn, die
Fürsten und ihr Gefolge, nicht auf einem Olymp, waren gegen Kugeln nicht
gefeit, waren gegen die unberechenbaren Überraschungen und Wenden einer
Schlacht schutzlos. Der Mann im Gefecht sieht nur das Nächste; der Offizier,
der auf dem linken Flügel kommandiert, weiß nichts von den Vorgängen auf
dem rechten. Nur wer die ganze Walstatt überschaut, wer in diesen schwärmenden
Wolken von Jußvolk und Reiterei, deren Feuer verderblicher als die elektrischen
Schläge eines Gewitters, deren Anprall schrecklicher als stürzende Lawinen ist,
den regierenden Willen weiß, hat den vollen Eindruck einer Schlacht. Ihm wird
klar, was Friedrich der Große schrieb, „wie gefährlich die Zufälligkeiten im Krieg
und wie die armen Generale unter allen Umständen beklagenswert sind.“
Noch während der Reise, in Mainz, empfing der Prinz die Nachricht,
daß sich die bayerischen Truppen sogleich in den ersten Kämpfen in den alten
Reichslanden zwischen Rhein und Vogesen glänzend bewährt hatten. Wurde
der Prinz auf dem Schlachtfeld von Gravelotte Zeuge von der heldenhaften
Ausdauer der Preußen, so hatte er am 30. August die Genugtuung zu sehen,
wie das erste bayerische Korps unter von der Tann bei Beaumont den Kampf
zu Gunsten der deutschen Waffen entschied. Und so reihte sich, wie Tag an
Tag, Sieg an Sieg. Der ruhmvolle Anteil der Bayern an den Haupt-
schlachten bei Bazeilles, Balan, Sedan ist bekannt. Weniger das Samariter-
werk des Prinzen Luitpold für die vielen Braven, die im Straßenkampfe von
Bazeilles verwundet worden waren.
Als Napoleon seinen Degen übergab, stand Prinz Luitpold an König
Wilhelms Seite. Eine erschütternde Begegnung! Der Napoleonide, an dessen
Lippen einst die Blicke aller Diplomaten ängstlich hingen, besiegt, gebrochen,
bedauernswerter als Varus!
In den gemeinsam durchlebten Tagen im Feindesland knüpfte sich die
Freundschaft, die den ehrwürdigen Wilhelm mit seinem Neffen verband, fest
und fester. An Wilhelms Seite sah der Prinz von der Höhe von Villiers
zum ersten Male die Vorwerke von Paris; mit dem König weilte er unter
dem Feuer der feindlichen Granatkanonen in der Schanze von Chatillon; mit
ihm bezog er in St. Germain und Versailles die Gemächer des roi soleil.
In der Präfektur zu Versailles übergab Prinz Luitpold am 3. Dezember das
Schreiben Ludwigs II., das den siegreichen Führer der deutschen Heere ein-
lud die Würde eines Deutschen Kaisers anzunehmen. Die künftige Forschung
über jene Werke und Tage wird erst den Anteil des Prinzen an der Einigungs-
arbeit offenbaren. Ihm war das tausendjährige Recht Bayerns, aber auch das
Heil und der Ruhm Deutschlands das Testament seines großen Vaters!