654 142. Unser Prinzregent Luitpold.
dem Unitarismus zugestehen, wie denn auch Treitschke dem schlichten Wesen
und dem bescheidenen und doch zielbewußten Walten unseres Prinzregenten
wärmste Anerkennung zgollte.
So zeugen auch die Spaltungen innerhalb des Königreichs, die Rede-
kämpfe in den Kammern, die Federkriege in der Presse keineswegs gegen die
Gesundheit unseres Staatswesens, sie sind kein Zeichen des Niederganges, sie
beweisen nur, daß wir nicht in Byzanz, sondern in einem Verfassungsstaat
leben. Aufrichtig zu sein kann ich versprechen, schrieb Goethe, unparteiisch
zu sein aber nicht.
Der Rechtssinn unseres Regenten gibt jedem das Seine. Den wahrhaft
christlichen und tief religiösen Mann dünken Haß und Fehde nicht ins jus
canonicum gehörig, er schützt jeden in seinem Bekenntnis. Eine soldatische
Natur, im Heerdienst erfahren, im Feuer erprobt, weiß der Regent die un-
geheuere Wichtigkeit der militärischen Volkserziehung zu schätzen. Dank seinem
Einfluß und Sporn steht das bayerische Heerwesen heute auf der Höhe der
Zeit, ist der bayerische Soldat heute ebenso stramm und geschult wie der Preuße.
Bei allem Kunstenthusiasmus des klaren Verständnisses für das Nützliche und
Notwendige nicht entbehrend nimmt er am Aufschwung der Volkswirtschaft, am
Gedeihen von Handel und Gewerbe, am Wachstum und Blühen der Städte
herzlichen Anteil. Ein welterfahrener Mann schätzt er keine Arbeit gering; ein
milder Menschenfreund unterstützt er jede Einrichtung, welche die Wohlfahrt der
Arbeiter steigert. Nie wenden sich Unglückliche und Hilflose vergeblich an ihn.
Wer wie unser Regent Tag für Tag Gelehrte und Künstler in seine
unmittelbare Umgebung zieht, ehrt Wissenschaft und Kunst und „das Beispiel
des Fürsten wirkt mächtig um sich her!“ Die Begeisterung des Fürsten für
die schönen Künste brachte in das Kunstleben Münchens frisches Blut und
neuen Schwung. Jünger und Meister blicken verehrungsvoll auf ihren Schutz-
herrn. Denn der Schöpfer gab ihm wie seinem königlichen Vater das Auge
für die Kunst und ein Herz für die Künstler.
Unter seiner Agide stieg der herrliche Bau empor, die Schatzkammer für
die Kleinode bayerischen Kunstgewerbes, das Landesmuseum in der Prinzregenten-
straße. Am Englischen Garten wie an einem Waldessaum zieht sich die neue
Straße hin, spannt über den reißenden Gebirgsfluß den kühnen Bogen und
führt wieder zu anmutigen Anlagen hinan. Sie vereinigt Kunst und Natur,
Pracht und Heiterkeit, sie entspricht so ganz der Persönlichkeit, an die ihr Name
die nachfolgenden Geschlechter erinnern wird.
Ihm beugt das Alter nicht den Nacken, aufrecht steht er vor uns mit
seinen 80 Jahren, mit hellem Aug' und festem Willen.
Gottes freie Natur, das edle Weidwerk, die Hochgebirgsjagd und die
Birsch im Hochwald sind sein unversieglicher Jungbrunnen.
„Kein Sturm und auch kein Regen
Verleiden ihm den Gang.“