16. Der Bamberger Dom. 65
aber, als Diagonalen, steigen noch Rippen empor und treffen sich am Scheitel
in einem Schlußstein. Diese Gurte und Kreuzrippen tragen gemeinsam die
leichteren, dazwischen eingespannten Gewölbekappen. Ein besonders großer
Schlußstein vereinigt die Rippen jenes Gewölbefeldes, das entsteht, indem sich
Haupt= und Querschiff durchschneiden, die sogenannte Vierung. Sie bildet
das Richtmaß, woran sich folgerichtig die übrigen Felder gliedern: je eines
nach Westen, Norden und Süden und fünf nach Osten. An die beiden Enden
der Längsrichtung schließen sich die Altarnischen. Neben den fünf östlichen
Quadraten ziehen sich die Seitenschiffe hin, nur halb so breit und hoch. Hier
führt von jedem Arkadenpfeiler ein Gurtpilaster empor, so daß die Wölbung
zehn quadratische Felder zeigt, doppelt soviel wie das Mittelschiff.
Der Spitzbogen und das Kreuzgewölbe mit Rippen, die wesentlichen
Merkmale der Gotik, sind demnach im Inneren schon durchweg angewandt.
Von Ost nach West können wir am Gewölbe entlang den Fortschritt verfolgen.
Nur das Halbrund der Ostapsis ist noch mit einer glatten Halbkuppel überwölbt.
Im vollsten Gegensatz weist die fünfeckige Westapsis in eine spätere Zeit; vor-
gelegte Halbsäulen führen in den Ecken als Rippen zu einem gemeinsamen
Schlußstein empor. Ahnlich ist das davorliegende Gewölbequadrat, zwischen
Apsis und Vierung, in zwei durchkreuzte Rechtecke zerlegt, ebenso die Flügel
des Querschiffes; das Gewölbe scheint zusammengeschoben; das reichere Rippen-
netz macht die Decke leichter; statt der Pilaster tragen Halbsäulen die Gurt-
bögen, setzen sogar erst in der Höhe auf Konsolen an. Doch stört dieser all-
mähliche Wandel vom Ostchor zum Westchor nicht den einheitlichen Eindruck.
Die auf Ludwigs I. Befehl von 1828 bis 1837 vorgenommene Erneuerung
hat zwar mit dem Verputz und Beiwerk späterer Zeiten auch die alte Bemalung
ohne Gnade entfernt, so daß nun der Zauber der Farbe fehlt; die lichtgraue
Steinfarbe verstärkt den Eindruck schmuckloser Einfachheit. Dafür wirkt aber
der wuchtige Aufbau zu einer Höhe von 25 Metern um so unmittelbarer; die auf-
wärtsstrebenden Träger mit den Gurten und Rippen verkörpern abgewogene
Kraft; der Verzicht auf alles spielende Beiwerk verleiht dem Innenraum eine
vornehme, ernste Würde.
Die beiden Chöre rücken von der Apsis um zwei Quadratfelder in das
Mittelschiff vor; der Boden ist um mehr als ein Dutzend Stufen erhöht, da
sich eine gewölbte Gruftkapelle darunter befindet. Gegen die Seitenschiffe sind
sie noch mit aufgesetzten Steinschranken abgeschlossen. Die Chöre allein bedachte
man reich mit plastischem Schmuck. Teils zieht sich an der Innenwand der
Apsis unter den Fenstern eine Bogenreihe hin teils ist die Außenfläche der
Seitenschranken mit Blendarkaden und bedeutenden Figuren ausgezeichnet. Un-
vergeßlich bleibt jedem das Reiterbild Konrads III., der im Dom begraben liegt.
Am Pfeiler links von den Stufen des Ostchores blickt er mit frei erhobenem
Antlitz in den Kirchenraum; mit leichter Sicherheit sitzt er im Sattel. Der
Ostchor führt den Namen Georgenchor; denn schon bevor das Bistum gegründet
Kronseder. Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 5