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Bekanntmachung
betreffend Veräußerung, Verarbeitung und Beschlagnahme von Baumwolle, Baumwollabgängen und Baumwollgespinsten.
Nachstehende Bekanntmachung wird hiermit zur allgemeinen Kenntnis gebracht mit dem Bemerken, daß jede Ub-
tretung — worunter auch verspätete oder unvollständige Meldung fällt — sowie jedes Anreizen zur übertretung der ersafs eun
Bekanntmachung, soweit nicht nach den allgemeinen Strafgesetzen höhere Strafen verwirkt sind, nach § 9 Buchstabe b.) *
Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 oder Artikel 4 Ziffer 27)) des Bayerischen Gesetzes über den Kriegs-
zustand vom 5. November 1912 oder nach § 5"") der Bekanntmachung über Vorratserhebungen vom 2. Februar 1915 neen
nach § 617) der Bundesratsverordnung vom 24. Juni 1915 über die Sicherstellung von Kriegsbedarf bestraft wird. Auch
kann der Militärbefehlshaber die Schließung des Betriebes anordnen.
§ 1. Inkrafttreten der Anordnungen.
Die Anordnungen dieser Bekanntmachung treten mit Beginn des 14. August 1915 in Kraft.
§ 2. Von der Bekanntmachung betroffene Gegenstände.
Von dieser Bekanntmachung betroffen sind Baumwolle, Baumwollabgänge und Baumwollgespinste.
Unter Baumwollabgängen im Sinne dieser Bekanntmachung werden nur die im Spinnverfahren anfallenden sogenannten
Spinnwickel, die Abgänge von den Cardenbändern und Vorgarnfäden verstanden.
Kunstbaumwolle, welche im Reißverfahren aus Fäden oder Web= und Wirkstoffen gewonnen wird, fällt nicht unter
die Bestimmungen dieser Bekanntmachung. «
UnberührtdutchdieAnordnungendieserBekanntmachungbleibendiejenigenMengenvon'BaumwolleundBaumwoll-.
abgängen, welche nach dem 15. Juni 1915 aus dem Ausland (nicht Zollausland) nach Deutschland eingeführt worden sind
und die aus ihnen hergestellten Baumwollgespinste. Die von der deutschen Heeresmacht besetzten Gebiete gelten nicht als Ausland
im Sinne dieser Anordnungen.
8§ 3. Veräußerungsverbot.
Die Veräußerung von Baumwolle und Baumwollabgängen, welche sich im Besitz von Nichtverarbeitern (Händlern ufw.)
befinden, ist nur zulässig:
a) an Baumwollspinnereien,
b) an sonstige Selbstver arbeiter.
§ 4. Beschlagnahme von Rohstoffen.
Baumwolle und Baumwollabgänge, welche sich im Besitz von Nichtverarbeitern befinden und deren Veräußerung an
Selbstverarbeiter nicht bis zum Ablauf des 28. August 1915 erfolgt ist, sind von diesem Zeitpunkt an beschlagnahmt.
*) Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte ein bei Erklärung des Belagerungszustandes
oder während desselben vom Militärbefehlshaber im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenes Verbot übertritt, oder
zu solcher Ubertretung auffordert oder anreizt, soll, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit
Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft werden.
*#) Wer in einem in Kriegszustand erklärten Orte oder Bezirke eine bei der Verhängung des Kriegszustandes oder
während desselben von dem zuständigen obersten Militärbefehlshaber zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erlassene Vor-
schrift übertritt, oder zur Übertretung auffordert oder anreizt, wird, wenn nicht die Gesetze eine schwerere Strafe androhen,
mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft.
») Wer vorsatzlich die Auskunft, zu der er auf Grund dieser Verordnung verpflichtet ist, nicht in der gesetzten
Frist erteilt, oder wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit Gefängnis bis zu
6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark bestraft, auch können Vorräte, die verschwiegen sind,
im Urteil für dem Staate verfallen erklärt werden. Wer fahrlässig die Auskunft, zu der er auf Grund dieser
Verordnung verpflichtet ist, nicht in der gesetzten Frist erteilt oder unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
wird mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder im Unvermögensfalle mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestrast.
f)Wer unbefugt einen beschlagnahmten Gegenstand beiseite schafft, beschädigt oder zerstört, verwendet, verkauft
oder kauft oder ein anderes Veräußerungs= oder Erwerbsgeschäft über ihn abschließt, wer die Verpflichtung, die beschlagnahmen
Gegenstände zu verwahren und pfleglich zu behandeln, zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr oder m
Geldstrafe bis zu zehntausend Mark bestraft.