Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

$ 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 337 
durch das Reichsgesetz vom 31. März 1873, 8 14, Abs. 2 (Reichsgesetzbl. 
S. 63) dahin getroffen, daß ein Abzug vom Gehalte nicht stattfindet 
und die Stellvertretungskosten der Reichskasse zur Last fallen. Vgl. 
unten $ 47, 1. 
Zu Zweifeln hat der Ausdruck »Beamte« in Art. 21, Abs. 1 Anlaß 
gegeben. Aus den Verhandlungen des zur Vereinbarung der Verfas- 
sung berufenen Reichstages ist nichts dafür zu entnehmen, welchen 
Sinn man an dieser Stelle mit dem Worte »Beamte« verbunden hat; 
ebensowenig gibt die Reichsverfassung anderwärts eine Definition die- 
ses Ausdruckes. Sicher ist nur, daß er außer den Reichsbeamten 
jedenfalls auch die Beamten der Einzelstaaten mit umfaßt. Es wird 
daher nach der Behördenverfassung und dem öffentlichen Rechte der 
einzelnen Staaten zu entscheiden sein, wer als Beamter derselben an- 
zusehen ist!). 
VIH. Die Wahlprüfungen. »Der Reichstag prüft die Legiti- 
mation seiner Mitglieder und entscheidet darüber.« Reichsverfassung 
Art. 27. Die Entscheidung erfolgt ohne Mitwirkung und Beteiligung 
des Bundesrates oder des Reichskanzlers und sie ist definitiv; es gibt 
kein Mittel, wenn der Reichstag einmal eine Wahl für gültig oder für 
ungültig erklärt hat, diese Entscheidung anzufechten, weder innerhalb 
noch außerhalb des Reichstages. Daß die Entscheidung materiell den 
Charakter eines Urteils hat, also nach Grundsätzen des Rechts und 
der Billigkeit, nicht nach dem politischen Parteiinteresse, erfolgen 
sollte, bedarf keiner Ausführung; die Gründe für die Abstimmung der 
einzelnen Reichstagsmitglieder sind aber nicht kontrollierbar ’?). 
Rönne, Preuß. Staatsrecht I, 2, S. 786) bis auf weiteres aus Staatsmitteln bestritten. 
In Bayern werden ebenfalls keine Abzüge für Stellvertretungskosten gemacht. 
Riedela.aO0. 
1) v. Pözl S. 125, Note 3 sagt: „Bedienstete von Privatpersonen oder von Pri- 
vatgesellschaften können weder im Hinblick auf den Wortlaut noch auf die ratio legis 
unter diesen Artikel subsumiert werden.“ Riedel S. 112 meint dagegen: Der Aus- 
druck Beamte muß hier im weitesten Sinne genommen werden, er würde also 
auch Privatbeamte mit umfassen. Ebenso v. Mohl, Reichsstaatsrecht S. 351. Außer 
den Reichs- und Staatsbeamten werden auch die Kommunalbeamten hierher gezählt 
von HiersemenzelS. 84; Zorn], S. 232; G..-Meyer 8 129, Note 7; Arndt, 
Kommentar, Note 1 zu Art. 21, während sie die Kirchenbeamten ausschließen. v. 
Seydel, Annalen S. 404, Kommentar S. 196, 197 will den Artikel nicht nur auf die 
Gemeinde- und Kirchenbeamten, sondern auch auf Notare, Gerichtsvollzieher, Rechts- 
anwälte anwenden. Dagegen behauptet Thudichum S. 154, daß Gemeinde- und 
Kirchenbeamte keine Befreiung von der Pflicht der Urlaubseinholung genießen. Aus 
der Zusammenstellung des Abs. 1 und des Abs. 2 des Art. 21 in einem und demselben 
Artikel läßt sich vielleicht folgern, daß der Ausdruck „Beamte“ auf die „im Reichs- 
oder Staatsdienste“ Angestellten zu beschränken ist, da Abs. 2 von diesen handelt. 
2) Vgl. Jellinek, Ein Verfassungsgerichtshof für Oesterreich 1885, S. 1lOfg.; 
Jaques, Die Wahlprüfung in den modernen Staaten 1885; dazu meine Erörterung 
im Archiv für öffentl. Recht I, S. 226fg.; Seydel, Annalen S. 3887 fg.; derselbe, 
Parlamentarische oder richterliche Legitimationsprüfung, Annalen 1889, S. 273 ff.; 
Prengel ebenda 1892, S. 1ff.: G. Leser, Unters. über das Wahlprüfungsr. des d.
	        
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