Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

S$ 44. Der Begriff der Reichsbeamten. 441 
ner eine Verwechslung zugrunde zwischen der Begründung des Staats- 
dienerverhältnisses und der Verleihung eines Amtes. Ein Amt kann 
auch auferlegt werden ohne Begründung des Staatsdienerverhältnisses, 
als staatsbürgerliche Last, als Reihedienst. Die Pflicht, Vormundschaf- 
ten zu führen, Geschworener oder Schöffe zu sein, Aemter der Selbst- 
verwaltung zu übernehmen u. s. w. sind Beispiele, die jede weitere Er- 
örterung überflüssig machen. Sie zeigen deutlich, daß es neben der 
kontraktlichen privatrechtlichen Dienstverpflichtung gegen den Staat 
noch zwei Arten des Dienstverhältnisses zum Staate gibt, die Ueber- 
nahme eines Staatsamtes auf Grund der Staatsuntertänigkeit und die 
Uebernahme eines Staatsamtes auf Grund des Eintrittes in den Staats- 
dienst. Die erstere ist das Gegenteil des Staatsbeamtenverhältnisses, 
sie erfolgt unfreiwillig, d. h. ohne Notwendigkeit der Zustimmung, 
die letztere freiwillig, d. h. auf Grund eines Konsenses. Beide Arten 
haben manches miteinander gemein: die Delegation der Staatsgewalt 
auf den Inhaber des Amtes, soweit die Zuständigkeit des letzteren reicht; 
die Verantwortlichkeit für die gesetzmäßige Handhabung der Amtsge- 
walt; die Pflicht zum amtlichen Gehorsam gegen rechtmäßige Verfü- 
gungen der vorgesetzten Behörde; der Schutz bei Ausübung der amt- 
lichen Geschäfte gegen Angriffe, Beleidigungen, Widerstand; die An- 
wendbarkeit der strafgesetzlichen Vorschriften über Verbrechen und 
Vergehen im Amnte. 
Aber das rechtliche Verhältnis zwischen dem Staate und dem In- 
haber des Amtes ist in den beiden Fällen ein verschiedenes. Es zeigt 
sich dies schon darin, daß der Staatsdiener in einem Rechtsverhältnis 
zum Staate auch dann steht, wenn er tatsächlich kein Amt verwaltet; 
derjenige dagegen, welcher staatliche Geschäfte in Erfüllung seiner 
Untertanenpflicht führt, die mit dieser Geschäftsführung verbundenen 
Rechte und Pflichten nur so lange hat, als er das Amt bekleidet. Die 
Führung eines Amtes ist zwar der Zweck des Dienstvertrages, für 
den Begriff des Beamten ist aber nicht die wirkliche Führung eines 
Amtes, sondern die Verpflichtung zur Führung eines solchen 
wesentlich; es gibt auch Beamte zur Disposition des Dienstherrn. Die 
vertragsmäßige Dienstpflicht verhält sich zur wirklichen Amtsführung 
wie die gesetzliche Wehrpflicht zum aktiven Militärdienst oder wie die 
gesetzliche Gerichtspflicht zur effektiven Ausübung des Geschworenen- 
oder Schöffenamtes !). 
erhält.“ Aehnlich Welcker im Staatslexikon Bd. 12, Art. „Staatsdienst“, S. 300. 
Ueber die Theorie Schmitthenners vgl. im übrigen Rehm S. 679 ff. 
1) Für das Verständnis des Beamtenrechts ist die scharfe begriffliche Scheidung 
zwischen der Amtsführung und dem Dienstverhältnis der Schlüssel; auf der Vermengung 
dieser beiden Gesichtspunkte beruhen die zahlreichen Unklarheiten und inneren Wi- 
dersprüche, an denen die meisten Darstellungen des Beamtenrechts leiden. Die richtige 
Unterscheidung ist zuerst entwickelt worden in einer Schrift von Meisterlin, Die 
Verhältnisse der Staatsdiener nach rechtlichen Grundsätzen, Kassel 1838, die jedoch 
unbeachtet geblieben ist und ganz verschollen war, und welche erst Rehm a. a. 0.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.