8 60. Begriff und juristische Natur der Staatsverträge. 125
Siebentes Kapitel.
Die Staatsverträge *).
8 60. Begriff unä juristische Natur.
Willensakte des Staates können in der Form des völkerrechtlichen
Vertrages sich vollziehen. Den Gegenständen nach, welche der Ein-
wirkung der staatlichen Willensmacht unterworfen sind, besteht keine
Abgrenzung zwischen dem Gebiete der Gesetzgebung und dem Gebiete
der Vertragsschließung. So wie die Form des Gesetzes nicht auf den
Erlaß von Rechtsvorschriften beschränkt ist, sondern auf jeden denk-
baren Willensakt des Staates Anwendung finden kann, so ist auch
alles, was der Staat überhaupt wollen und tun kann, geeignet, zum
Gegenstand eines Staatsvertrags gemacht zu werden!). Aus diesem
*, Literatur. Gneist, Kommissionsbericht in den Drucksachen des preußi-
schen Hauses der Abgeordneten, 10. Legislaturperiode, II. Session 1868, Nr. 236; Ernst
Meier, Ueber den Abschluß von Staatsverträgen, Leipzig 1874 (daselbst ist das
Gutachten von Gneist als Anhang abgedruckt); Gorius in Hirths Annalen 1874,
S. 759 ff., 1875, S. 53Lff.; G. Meyer ebenda 1878, S.378 ff.; Jos. Unger iin Grün-
huts Zeitschrift Bd. 6, S. 349 ff. (1879); dazu Ryck in Heymanns Krit. Literaturblatt
1879, 8. 85 fg.; Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatenverträge, Wien 1880;
derselbe, Gesetz und Verordn. 1887, S. 341 ff.; Zorn in der Zeitschr. für die gesamte
Staatswissenschaft Bd. 36, S. 1ff. (1880); J. A. Levy, Wet of Tractaat? S’Gravenhage
1880; Ed. Clunet, Du defaut de validite de plusieurs traites diplomat. conclus
par la France avec les puissances &trangeres, 2. Eedit., Paris 1880. Insbesondere die
eingehende und sorgfältige Monographie von Max Pröbst, Die Lehre vom Ab-
schlusse völkerrechtlicher Verträge durch das Deutsche Reich und die Einzelstaaten
des Reiches, in Hirths Annalen 1882, S. 241 ff. Ferner Guido Prestele, Die Lehre
vom Abschlusse völkerrechtlicher Verträge durch das Deutsche Reich und die Einzel-
staaten des Reiches, Münchener Doktordissertation 1882; Leoni im Archiv für öffentl.
Recht, Bd. 1, S. 498 ff. (1886); Affolter ebenda Bd. 6, S. 378 ff.; Seligmann,
Abschluß und Wirksamkeit der Staatsverträge, Freiburg 1890; Fr. Tezner, Zur
Lehre von der Gültigkeit der Staatsverträge in Grünhuts Zeitschrift Bd. 20, S. 120 ff.,
1892; Störk in v. Stengels Wörterbuch II, S. 516 ff. (Art. „Staatsverträge*). Otfr.
Nippold, Der völkerrechtliche Vertrag, Bern 1894; Heilborn, Das System des
Völkerrechts, Berlin 1896, S. 143 ff.; derselbe, Der Staatsvertrag als Staatsgesetz
im Archiv für öffentl. Recht, Bd. 12, S. 141 ff.; Triepel, Völkerrecht und Ländes-
recht (1899), S. 236 ff.; Riess, Die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften
bei Staatsverträgen 1904; endlich die Lehrbücher von Zorn L,S 18; v. Rönnell,2;
S. 293 ff. (8 123); Schulze ll, 8361; G. Meyer 8189, 190; Arndt S. 708 ff.;
auch v. Sarwey, Württemb. Staatsrecht Il, 886. Anschütz, Enzyklop. S. 617 ff.;
Dambitsch, Komment. S. 286ff.; Radnitzky im Jahrbuch des öffentl. Rechts
1911, S. 55 ff. Beachtenswert ist auch die Monographie von Donati, J Trattati
internazionali nel diritto costituzionale Torino 1906.
1) Es ist durchaus unrichtig, von einer „vertragsschließenden Gewalt“ zu reden
und dieselbe neben die gesetzgebende und vollziehende Gewalt zu stellen. Die
Fähigkeit des Staates, Staatsverträge abzuschließen, ist kein Teil der Staatsgewalt,
der von anderen Teilen derselben irgendwie abgegrenzt wäre, sowenig. wie die
Fähigkeit einer Privatperson, Verträge zu schließen, ein Teil der Persönlichkeit ist.