Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 60. Begriff und juristische Natur der Staatsverträge. 129 
geschlossen ist, und der von den kontrahierenden Staaten zur Durch- 
führung desselben erlassenen Befehle ist aber in vielen Fällen un- 
zweckmäßig und mit großen Schwierigkeiten verbunden. Die Verträge 
enthalten regelmäßig gegenseitige Zusicherungen, die nicht aus 
ihrem Zusammenhange gerissen werden können; sie enthalten ferner 
Verabredungen, welche teils nur die Verwaltung betreffen, teils in die 
Rechtsordnung eingreifen, und hier handelt es sich wieder teils um 
die Einführung neuer Verwaltungsvorschriften oder neuer Rechtsregeln, 
teils nur um die Aufrechterhaltung und die Fortdauer der bestehen- 
den Anordnungen. Es würde deshalb eine keineswegs leichte und ein- 
fache Aufgabe sein, wenn der Staat im Anschluß an den Staatsvertrag 
diejenigen Verfügungen, Verordnungen und Gesetze formulieren und 
erlassen sollte, welche zur Durchführung des Vertrages erforderlich 
sind'). Der Staat erleichtert und vereinfacht sich dies, indem er den 
allgemeinen Befehl erläßt, den von ihm abgeschlossenen Vertrag 
zu beobachten, ihm gemäß zu verwalten, zu urteilen usw. Dies ist 
die gewöhnliche und in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle zur 
Anwendung kommende Form. Betrifft der Vertrag lediglich Verwal- 
tungssachen, so genügt es, wenn er den betreffenden Behörden mit 
der Verfügung, ihm gemäß zu verfahren, bekannt gemacht wird; greift 
er in den Bereich der Gesetzgebung ein, so muß der Befehl, ihn zu 
befolgen, wie jeder andere Gesetzesbefehl verkündet werden. So wie 
das gewöhnliche Gesetz aus zwei Teilen besteht, dem Gesetzesinhalt 
und dem den Gesetzesbefehl enthaltenden Eingang, so wird auch der 
Staatsvertrag mit einem Eingange versehen, welcher die Befolgung 
desselben anbefiehlt.e. Fast in allen Staaten, namentlich auch in. der 
Mehrzahl der deuischen Staaten, wird dieses Verfahren beobachtet?) ; 
es verschafft dem wahren juristischen Verhältnis, daß nicht der inter- 
1) In manchen Fällen ist dies aber nicht zu umgehen; alsdann muß an den Staats- 
vertrag sich ein Gesetz oder eine Verordnung anschließen. So ist z. B. das Salz- 
steuergesetz vom 12. Oktober 1867 (Gesetzbl. S. 41) seiner eigenen Angabe in 
den Eingangsworten gemäß erlassen worden „infolge der zwischen den Staaten 
des deutschen Zoll- und Handelsvereins am 8. Mai d. J. abgeschlossenen, hier beige- 
fügten Uebereinkunft* ... Ebenso ist das Gesetz vom 2. November 1871 (Reichs- 
gesetzbl. S. 375), betreffend die St. Gotthard-Eisenbahn, äußerlich getrennt von dem 
Vertrage vom 28. Oktober 1871, welcher bei der Publikation als Anlage beigefügt 
ist; daselbe gilt von dem Gesetz vom 15. Juli 1872 (Reichsgesetzbl. S. 329) wegen 
Uebernahme der Wilh.-Luxemb. Eisenbahn und dem beigefügten Vertrage vom 11. Juni 
1872; ferner das Gesetz vom 4. März 1894 zur Ausführung des internationalen Ver- 
trages über den Branntweinhandel (Reichsgesetzbl. S. 151; der Vertrag daselbst 
S. 427), das Gesetz vom 8. Juni 1895 zur Ausf. des Zollkartells mit Oesterreich (Reichs- 
gesetzbl. S. 253); Gesetz zur Ausführung der Algecirasakte vom 21. Dezember 1906 
(RGBI. S. 889); Gesetz über die Grenzregulierung gegen die Schweiz vom 31. Juli 
1908 (RGBl. S. 497); Gesetz zur Ausführung des internationalen Abkommens über 
den Zivilproz. vom 5. April 1909 (RGBl. S. 430) u. v. a. 
2) Vgl. die Nachweisungen bei Meier, Abschluß von Staatsverträgen S. 330 ff., 
welche leicht vermehrt werden können.
	        
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