8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen. 135
sonen des öffentlichen Rechtes und insbesondere bei den Staaten weder
ein begriffliches noch tatsächliches Hindernis gegeben, daß die Legiti-
mation zur Vertretung durch andere Vorschriften geregelt sei, wie die
Befugnis zur Vornahme von Herrschaftsakten innerhalb des Staatsver-
bandes. Dazu fehlt es auch nicht an Motiven. Denn für den völker-
rechtlichen Verkehr wie für den vermögensrechtlichen Privatverkehr
besteht das Bedürfnis, die Legitimation des Mitkontrahenten leicht und
sicher feststellen zu können, äußerlich erkennbare und untrügliche
Merkmale zu haben, durch welche seine Vollmacht dargetan wird,
vor Ausflüchten und Einreden wegen mangelnder Stellvertretungsbe-
fugnis gesichert zu sein. Deshalb ist es nicht nur rechtlich
möglich, sondern es kann sich auch aus praktischen Gründen
empfehlen, das Staatsoberhaupt mit der formellen Legitimation nach
außen, mit der Befugnis zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge
auszustatten, und doch gleichzeitig bei der Vollziehung der Vertrags-
verpflichtungen innerhalb des Staates ihn denselben Beschränkungen
zu unterwerfen, welche für andere Regierungsakte bestehen. Dies ist
unbestrittenerweise in England geschehen !); dasselbe Recht ist ver-
fassungsmäßig in Belgien und im Anschluß an die Bestimmungen der
belgischen Verfassung in Preußen anerkannt worden ’?. Es ist unbe-
dingt zuzugeben, daß diese verschiedene Normierung der völkerrecht-
lichen Legitimation und der staatsrechtlichen Machtvollkommenheit
nicht allgemeine Anwendbarkeit auf alle Staaten hat, nicht aus der
juristischen Natur der konstitutionellen Staatsform mit Notwendigkeit
sich ergibt, sondern daß es eben lediglich eine Frage des positi-
ven Rechtes ist, inwieweit nicht nur die Vollziehung, sondern
zugleich auch die Legitimation zum Abschluß von Staatsverträgen be-
schränkenden Vorschriften unterworfen ist).
1) Eine übersichtliche Darstellung hierüber enthält das S. 125 zitierte Gut-
achten von Gneist. Vgl. ferner die ausführliche und gründliche Darstellung, welche
Meier a.a. O.S. 115 ff. gibt, sowie Hatschek, Englisches Staatsrecht Bd. I,
S. 622 fg.
2) Allerdings weder in konsequenter noch klarer Formulierung. Vgl. darüber
Gneista.a.O. unter Nr. IV und v. Rönne, Preuß. Staatsrecht I, 1, 8 77, S. 467 ff.,
dessen Ausführungen ich im wesentlichen für richtig und zutreffend halte. Ueber-
einstimmend in diesem Punkt Arndt, Die Verfassungsurkunde für den preuß. Staat,
1886, S. 73 und Staatsrecht S. 708; Klöppel, Preuß. Jahrbuch Bd. 52, S. 294 ff.
Schwartz, Verfassungsurkunde für den preuß. Staat (1896) S. 139. Eine andere
Auffassung hat Meier S. 212 ff. verteidigt, welcher Schulze, Preuß. Staatsrecht II,
S. 826 und Pröbst S. 322 ff. zustimmen.
3) In Nordamerika ist der Präsident zum Abschluß von Staatsverträgen
nur unter Zustimmung des Senats legitimiert, während dem Repräsen-
tantenhause keine Teilnahme am Abschlusse, sondern nur an der Vollziehung zusteht.
Rüttimann]l 8249 f.; Meier &.a.0. 8.163 ff.; Schlief, Verfassung der
Nordamerik. Union S. 126 fg., 248 fg. Nach der Verfassung der Schweiz vom
29. Mai 1874 ist der Bundesrat beschränkt auf die „Wahrung der Interessen der Eid-
genossenschaft nach Außen“ und auf die „Besorgung der auswärtigen Angelegen-
heiten“ (Art. 102, Nr. 8), dagegen gehört der Abschluß von Bündnissen und Verträgen