Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

136 8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen. 
Diese Frage ist nun mit Beziehung auf das Deutsche Reich zu 
untersuchen: 
1. Der erste Absatz des Art. 11 der Reichsverfassung ermächtigt 
den Kaiser, das Reich völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des 
Reiches Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit 
fremden Staaten einzugehen. Hierdurch wird die formelle Legitima- 
tion des Kaisers zur Vertretung des Reiches im völkerrechtlichen Ver- 
kehr begründet; Abs. 1 cit. enthält die allgemeine staats- 
rechtliche Bevollmächtigung des Kaisers, Rechtsge- 
schäfteim Namen des Reiches mit fremden Staaten 
abzuschließen. 
An die allgemeine im Abs. 1 enthaltene Regel schließen sich aber 
zwei weitere Bestimmungen an. Der zweite Absatz, welcher in der 
Verfassung des Norddeutschen Bundes fehlte und erst bei dem Eintritt 
der süddeutschen Staaten in den Bund hinzugefügt wurde, bestimmt, 
daß zur Erklärung des Krieges im Namen des Reiches die Zustim- 
mung des Bundesrates erforderlich ist, es sei denn, daß ein Angriff 
auf das Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt. Der dritte Absatz 
fügt die Regel hinzu: 
»Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche 
Gegenstände beziehen, welche nach Art. 4 in den Bereich der 
Reichsgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die 
Zustimmung des Bundesrates und zu ihrer Gültigkeit die 
Genehmigung des Reichstages erforderlich« '). 
Wenn man zunächst für einen Augenblick zugibt, daß sich diese 
mit dem Auslande zur Kompetenz der Bundesversammlung (Art. 85, Nr. 5) 
und für das Bundesgericht sind die von der Bundesversammlung genehmigten 
Staatsverträge maßgebend (Art. 113, Abs. 3). Dieselben Grundsätze galten auch nach 
der füheren Bundesverfassung. Rüttimann I, 8256; Pröbst S. 275. — Im ehe- 
maligen Deutschen Reich konnte der Kaiser nur mit Zustimmung des Reichs- 
tags Verträge mit fremden Staaten abschließen. Instr. Pac. Osnabr. Art. VIIL 8 2; 
Wahlkapitul. Art. VI, 84. Vgl. Pfeffinger, Vitriar. illustr. II, 3, 8 21 (T. IV, 
p. 397—430). — Ueber die Verfassungsbestimmungen der deutschen Einzelstaaten vgl. 
MeierS.106, 110 ffl.; Zachariä, Staatsrecht II, $ 236, Note 8; G. Meyer, Staats- 
recht 8 189. Ueber das jetzige Recht Frankreichs vgl. Lebon in Marquardsens 
Handb. IV, I, 6, S. 46, 72. — Das Verhältnis der völkerrechtlichen Normen über die 
Legitimation zu den staatsrechtlichen Grundsätzen über die Zuständigkeit des Staats- 
oberhauptes ist sehr gut erörtert von Heilborn, System S. 145 ff., jedoch geht er 
zu weit, wenn er die Legitimation des Staatsoberhaupts zur Vertretung des Staates 
lediglich auf eine Regel des Völkerrechts stützt, der gegenüber die Verfassung 
des einzelnen Staates nicht von Belang sei. Vgl. auch G. Meyer $ 189, Note 1. 
1) In dem ursprünglichen Entwurf der norddeutschen Bundesverfassung fehlte 
der Satz. Bei den Beratungen der Regierungskommissare über den preuß. Entwurf 
wurde das Erfordernis der Zustimmung des Bundesrates hinzugefügt, das Erfordernis 
der Genehmigung des Reichstags wurde von dem verfassungsberatenden Reichstag 
auf Grund eines Antrages des Abgeordneten Lette eingeschaltet, ohne daß bei der 
Debatte über den Art. 11 in der Sitzung vom 26. März 1867 die Bedeutung des 
Amendements erörtert worden ist. Stenogr. Berichte S. 374.
	        
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