8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen. 143
Damit stimmt überein, daß der Bundesrat und ebenso der Reichs-
tag nach außen überhaupt nicht Namens des Reiches handeln. Woher
soll der auswärtige Staat zuverlässige Kenntnis haben, daß der Bundes-
rat die Zustimmung zum Abschluß des Vertrages erteilt hat, da seine
Verhandlungen nicht öffentlich sind? Und mit der bloßen Anzeige,
daß der Bundesrat zugestimmt habe, wäre immer noch nicht dem
Erfordernis Genüge geschehen, daß der fremde Staat die Vorschriften
der Verfassung des mitkontrahierenden Staates kennen und beachten
müsse. Der fremde Staat müßte noch weiter prüfen, ob der Beschluß
des Bundesrates gemäß den im Art. 7 der Reichsverfassung aufgestellten
Vorschriften erfolgt ist. Die auswärtige Regierung wäre ferner ver-
pflichtet, die stenographischen Berichte des Deutschen Reichstages, die
Geschäftordnung usw. zu studieren, um zu wissen, ob der Reichstag
die verfassungsmäßige Genehmigung zum Vertrage erteilt hat. Die
Funktionen, welche dem Kaiser obliegen, bevor er einen Staatsver-
trag ratifiziert, legt die entgegenstehende Theorie der Regierung
desfremden Staates auf, wenn die letztere bei dem Abschluß
eines völkerrechtlich wirksamen Vertrages prüfen müßte, ob die im
Abs. 3 des Art. 11 enthaltene Vorschrift beobachtet worden ist.
Die fremde Regierung müßte überdies die überaus schwierige
Untersuchung vornehmen, ob der Vertrag Gegenstände betrifft, welche
in den Bereich der Reichsgesetzgebung (in dem oben dargelegten Sinne)
gehören. Die Kenntnis der Verfassungsorganisation des Deutschen
Reiches genügt zur Beantwortung dieser Frage nicht, sondern es ist
die genaueste Kenntnis der gesamten Gesetzgebung dazu erforderlich,
da man nur aus dem Studium derselben entnehmen kann, welche
Willensakte des Reiches auf den Weg der Gesetzgebung gewiesen sind.
Diese Rechtssätze darf man nicht mit der Legitimation des Souveräns
zum Abschluß von Verträgen zusammenwerfen, die klar und deutlich
erkennbar sein muß. Der Regierung eines auswärtigen Staates kann
man die richtige und vollständige Kenntnis dieser verwickelten und
sich stets verändernden Regeln unmöglich zumuten, während man
wohl verlangen und erwarten darf, daß sie die Verfassung befreundeter
Staaten so weit kennt, um zu wissen, wer zur völkerrechtlichen Ver-
tretung derselben legitimiert ist. Wenn eine Meinungsverschiedenheit
zwischen der Reichsregierung und dem Reichstage (resp. zwischen
Kaiser und Bundesrat) besteht, ob ein Staatsvertrag unter den Abs. 3
des Art. 11 fällt oder nicht, so heißt es geradezu die auswärtige Regie-
rung zur Einmischung in diesen Streit auffordern und nötigen, sofern
man die völkerrechtliche Gültigkeit des Staatsvertrages von der
Entscheidung dieser Frage abhängig macht, denn die auswärtige Regie-
halten gewesen, sondern erst bei dem Hinzutritt der süddeutschen Staaten einge-
schaltet worden, so daß es fraglich erscheinen kann, ob man aus dieser Bestimmung
einen Schluß ziehen darf auf das Verhältnis zwischen der im Abs. 3 enthaltenen An-
ordnung zu dem allgemeinen Grundsatz des Abs. 1.