150 $ 61. Der Abschluß von Staatsverträgen.
In ganz ähnlicher Weise heißt es in dem Frankfurter Frieden mit
Frankreich vom 10. Mai 1871, Art. 18:
»Die Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages durch Seine
Majestät den deutschen Kaiser einerseits
und
andererseits durch die Nationalversammlung und
durch das Oberhaupt der vollziehenden Gewalt der
französischen Republik werden in Frankfurt... . ausgetauscht
werden«!).
In Uebereinstimmung hiermit steht das Formular, welches seitens
des Deutschen Reiches bei Ausfertigung der Ratifikationen verwendet
wird. Sonderbarerweise wird in der staatsrechtlichen und völkerrecht-
lichen Literatur auf Form und Inhalt dieser Urkunden keine Rück-
sicht genommen und anstatt aus diesem authentischen Material den
wirklichen Sachverhalt zu ermitteln, zieht man es vor, »aus den
Fesseln des Systems zu argumentieren«. Es mag dies zum Teil daraus
sich erklären, daß im Reichsgesetzblatt die Ratifikationsurkunden nicht
veröffentlicht werden. Dagegen kann man den Wortlaut der Ratifika-
tionen aus ausländischen Gesetzsammlungen kennen lernen, in
denen Staatsverträge in einer mehr korrekten und sachgemäßen Weise
als in Deutschland veröffentlicht werden. Dies ist der Fall z. B. in
der schwedischen Gesetzsammlung. Die Staatsverträge werden daselbst
mit den Ratifikationsurkunden sowohl in schwedischer Sprache als in
der Sprache der Ausfertigung publiziert und man kann daher aus der
»Swensk Författnings-Samling 1873, nro. 41« den Wortlaut der Ratifi-
kation des Additional-Postvertrages vom 25. Mai 1873 kennen lernen,
also eines Vertrages, welcher dem Deutschen Reichstage zur verfassungs-
mäßigen Beschlußnahme vorgelegt?) und im Reichsgesetzblatt ver-
kündet worden ist?).
Die Urkunde lautet:
soll; dies schwächt aber die Bedeutung des Vorbehaltes nicht ab; die Ratifikation
ist in dem Vertrage selbst, also einem völkerrechtlichen Akt, für den Präsidenten von
der Genehmigung des Senats abhängig gemacht, für das Präsidium des Norddeutschen
Bundes fehlt dagegen eine entsprechende Klausel.
4) Auch bei dem Abschluß des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867 wurde in
dem Schlußprotokoll am Ende (Bundesgesetzbl. 1867, S. 112) „konstatiert, daß die
Ratifikation des Vertrages für den Norddeutschen Bund nur durch dessen Prä-
sidium zu erfolgen habe“. Vgl. auch die Postverträge mit Oesterreich und mit
Luxemburg vom November 1867 (Bundesgesetzbl. 1868, S. 96, 115). „Die Ratifikation
des Vertrages für den Norddeutschen Bund erfolgt durch dessen Präsidium.“
1) Auch da, wo für die Ratifikation die Zustimmung des Bundesrates vorbe-
halten ist, z. B. in dem Vertrage mit Frankreich vom 12. Oktober 1871, Art. 12
(Reichsgesetzbl. S. 368), sind der Bundesrat und Reichstag einander vollkom-
men gleichgestellt worden. Vgl. auch den Vertrag mit der Schweiz vom 24.
Januar 1874, Art. 16 (Reichsgesetzbl. 1874, S. 119).
2) Drucksachen 1873, Nr. 157.
3) Reichsgesetzbl. 1873, S. 198.