176 8 64. Der Begriff der Verwaltung.
abhängig macht, so deckt sich der Bereich der Verwaltung in diesem
Sinne mit dem Umfang der konstitutionellen Ministerver-
antwortlichkeit. Die staatsrechtliche Qualifikation aller, den Be-
reich der Administrativgewalt bildenden staatlichen Geschäfte besteht
daher darin, daß für dieselben ein Minister die Verantwortlichkeit im
Sinne des konstitutionellen Staatsrechts trägt. Im Gegensatz hierzu
besteht für Akte der gesetzgebenden Gewalt (Bereich der Gesetzgebung)
eine Ministerverantwortlichkeit gar nicht und für Akte der richter-
lichen Gewalt (Bereich der Gerichtsbarkeit) nur in der Bd. 1, S. 374
dargelegten negativen Richtung, daß die Freiheit und Unabhängigkeit
der Gerichte nicht angetastet werde.
II. Der objektive Begriff. Die im Vorstehenden erörterte
Unterscheidung ist eine Einteilung der staatlichen Funktionen nach
der politischen Machtverteilung, nicht nach der Natur der staatlichen
Akte. Dennoch ist eine solche nicht nur ein unabweisbares Bedürfnis
der juristischen Wissenschaft, sondern die Theorie von der Teilung
der Gewalten selbst sucht den Anschein zu erwecken, nach sachlichen
Gesichtspunkten zu unterscheiden. Denn Gesetzgebung, Vollziehung,
Rechtspflege sind nicht Bezeichnungen für staatliche Organe, sondern
Bezeichnungen für verschiedenartige staatliche Vorgänge. Indem man
an die Stelle jeder dieser Klassen von Willensakten ein besonderes,
zur Vornahme desselben befugtes und den anderen gegenüber unab-
hängiges Organ setzt, verwandelt man eben die Einteilung der staat-
lichen Funktionen in die Teilung der Gewalten. Von diesem subjekti-
ven Moment der Zuständigkeit muß man daher absehen, wenn man
die Akte, in denen der Staat wirksam wird, nach ihrer spezifischen
Verschiedenheit charakterisieren und unterscheiden will.
Das Wesen der Gesetzgebung besteht nun in der verbindlichen
Anordnung einer Rechtsregel, also in der Aufstellung eines ab-
strakten Rechtssatzes; das Wesen der Rechtsprechung besteht
in der verbindlichen Feststellung eines konkreten Rechtsverhält-
nisses, in der Anerkennung, Versagung, Fixierung eines Rechtsan-
spruches. Gesetze und Entscheidungen haben demnach ein gemein-
sames Kriterium: sie enthalten Urteile (im Sinne der Logik). Da-
durch aber werden die dem Staate obliegenden Aufgaben nicht reali-
siert. Urteile sind an und für sich wirkungslos. Ein Staat, der weiter
nichts täte, als Gesetze geben und Rechtssprüche erteilen, müßte so-
gleich der Auflösung verfallen; er kann vielmehr die durch seinen
Zweck ihm gestellten Aufgaben nur durch Handlungen erfüllen,
ganzıebenso wie der einzelne Mensch seine individuellen Lebensauf-
gaben nicht bloß durch sein Wollen und Denken, sondern auch durch
sein Tun verwirklicht. Gesetze müssen zur Ausführung gebracht,
Entscheidungen vollstreckt werden; demgemäß stellt man der Gesetz-
gebung und Rechtspflege die Vollziehung, dem staatlichen Wollen und
Denken das staatliche Handeln gegenüber.