8 64. Der Begriff der Verwaltung. 177
Dies ist nun zwar viel zu eng; denn der Staat wird hier nur in
seiner ursprünglichsten und wesentlichsten Bedeutung, nämlich nur
als Rechts anstalt betrachtet. Außer der Aufrechterhaltung der Rechts-
ordnung hat der Staat aber noch andere Aufgaben; ihm liegt der Schutz
seiner Angehörigen und seines Gebietes gegen Angriffe anderer Staaten
und die Pflege der sittlichen und materiellen Wohlfahrt des Volkes ob.
Diese Aufgaben lassen sich nicht erfüllen durch bloße Handhabung
von Rechtsregeln, und andererseits ist ihre Durchführung denkbar und
möglich, ohne daß die Tätigkeit durch spezielle Gesetze angeordnet
und normiert wird!). Der Begriff der Vollziehung muß daher erweitert
werden zum Begriffe der Verwaltung. Aber unberührt hiervon bleibt
der oben entwickelte Gegensatz.
Staatsverwaltungistdasstaatliche Handeln, das
»ITun und Lassen« des Staates als einer handlungsfähigen Person. So
wie das Wort »Handlung« auf die durch die Hand sich äußernde
physische Kraft des Menschen hinweist im Gegensatz zu seiner geistigen
Tätigkeit, so besteht ein ganz enger sprachlicher und sachlicher Zu-
sammenhang zwischen Verwaltung und Gewalt. Das Walten (valere)
des Staates ist die Betätigung seiner Kraft, seiner physischen Leistungs-
fähigkeit; die Verwaltung umfaßt alles, was der Staat tut; es gibt keine
Gruppe von staatlichen Geschäften, welche nicht einen Verwaltungs-
zweig, einen Verwaltungsressort bildete. Aber der Staat »verwaltet«
immer nur, insofern er handelnd auftritt’); niemals, insofern er
Recht setzend oder Recht sprechend erscheint.
Was zunächst den Gegensatz zwischen Verwaltung und Rechtspre-
chungin dem hier in Rede stehenden (materiellen) Sinne anlangt, so deckt
er sich keineswegs mit der Zuständigkeitsgrenze zwischen Verwaltungsbe-
hörden und Gerichten. Auch die Gerichte führen Verwaltungsgeschäfte,
und die Verwaltungsbehörden geben Rechtsentscheidungen. Die übliche
l) vv Sarwey S.12. — Hänela.a. O. verwirft den Gegensatz zwischen Ge-
setzgebung und Verwaltung und stellt der Gesetzgebung die Vollziehung gegen-
über. Der Verwaltungsakt, sagt erS. 184, kann immer nur erscheinen
als die Ausführung eines rechtlichen Gebotes oder Verbotes oder als die Handhabung
einer rechtlichen Ermächtigung. S. 195 aber bezeichnet er als Ausführungs-
handlungen „nicht nur diejenigen, welche auf Grund der logischen Subsum-
tion des einzelnen Willensaktes unter eine allgemeine oder individualisierte Regel,
sondern auch diejenigen, welche in relativ freier Willenssetzung innerhalb vorge-
zeichneter Grenzen und in einer durch Zwecksetzungen bestimmten Richtung be-
werkstelligt werden“. Also selbst dann soll eine Handlung eine Ausführungs-
handlung sein, wenn sie nicht einmal unter eine allgemeine Regel subsumiert
werden kann. Wenn man nach dieser Methode den Worten willkürliche und ein-
ander widersprechende Bedeutungen beilegt, kann man freilich mit Leichtigkeit Alles
beweisen.
2) L. v. Stein, Verwaltungslehre I, 1, S. 10; Ulbricha.a. O.S.1fg.; Ga-
reis S. 178fg., G. Meyer 8 178; Schulze, Deutsches Staatsrecht I, S. 30 u. A.
OÖ. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht S.3: „Die Verwaltung ist Tätigkeit des
Staates zur Verwirklichung seiner Zwecke.“ FleinerS. 4.