Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

178 8 64. Der Begriff der Verwaltung. 
Einteilung in »Rechtssachen« und in »Verwaltungssachen« beruht auf 
der subjektiven Unterscheidung der richterlichen und administrativen 
(ministeriellen) Gewalt, nicht auf der objektiven Verschiedenheit der 
Geschäfte. Die letztere beruht auf folgendem: 
Die rechtliche Entscheidung besteht in der Subsumtion 
eines gegebenen Tatbestandes unter das geltende Recht, sie ist wie 
jeder logische Schluß vom Willen unabhängig; es besteht keine Frei- 
heit der Entschließung, ob die Folgerung eintreten soll oder nicht; 
sie ergibt sich — wie man sagt — von selbst, mit innerer Notwendig- 
keit. Dem zur Abgabe der Entscheidung Berufenen mag es obliegen, 
den Tatbestand zu ermitteln, und es kann ihm bei der Feststellung 
desselben ein weiter Spielraum des Ermessens gelassen sein; aber 
immerhin hängt die Gestaltung desselben nicht von seinem Willen ab, 
sondern er hat ihn so zugrunde zu legen, wie er sich ihm darstellt, 
wie er sich in seinem Geiste als vorhanden widerspiegelt. Ebenso 
kann das objektive Recht (der logische Obersatz) dem Richter eine 
weitreichende diskretionäre Gewalt einräumen, ihm die Berücksichti- 
gung der Billigkeit vorschreiben, ihm einen arbiträren Spruch über- 
tragen. Trotzdem hat der Richter nicht seinen Willen, sondern 
denjenigen des objektiven Rechts zur Geltung zu bringen; er ist die 
viva vox legis; er schafft sich nicht den Obersatz, sondern er nimmt 
ihn hin als von einer über ihm stehenden Macht gegeben. Der Richter 
kann sich irren hinsichtlich der Feststellung des Tatbestandes, hin- 
sichtlich des Rechtssatzes, hinsichtlich der daraus sich ergebenden 
Folgerung, und es können daher verschiedene Richter denselben Fall 
in verschiedener Weise entscheiden ; aber ein Richter kann nicht, wenn 
er pflichtgemäß verfährt, denselben Fall nach seinem Belieben ver- 
schieden entscheiden, d. h. an die Stelle einer logischen Opera- 
tion, die durch einen gegebenen Obersatz und Untersatz und die 
allgemeinen in der menschlichen Natur begründeten Denkgesetze be- 
herrscht wird, seinen freien Willen seizen. Dies gilt ganz gleich- 
mäßig, mag ein »Gericht« oder eine »Verwaltungsbehörde« zur Ent- 
scheidung berufen sein. 
Im Gegensatz hierzu ist der Verwaltungsakt die Herbeifüh- 
rung eines gewollten Erfolgs '., Rechtssätze können hierbei nicht 
bloß die Schranken der Handlungsfreiheit, sondern auch positiv die 
Veranlassung des Handelns bilden; der Verwaltungsakt kann darauf 
gerichtet sein, eine gesetzliche Anordnung zu realisieren; aber er ver- 
hält sich auch in diesem Falle nicht wie ein Schluß zu seinen Prämissen, 
sondern wie eine Handlung zu ihren Motiven. Jeder vom Staate 
zu verfolgende Zweck kann als Motiv der Verwaltungshandlungen 
wirken, also unter Umständen auch die Durchführung eines vom 
Staate angeordneten Rechtssatzes; die Motive können aber auch völlig 
1) Vgl. v. Sarwey S. 1, 13 und besonders Bernatzik S. Y9fg.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.