178 8 64. Der Begriff der Verwaltung.
Einteilung in »Rechtssachen« und in »Verwaltungssachen« beruht auf
der subjektiven Unterscheidung der richterlichen und administrativen
(ministeriellen) Gewalt, nicht auf der objektiven Verschiedenheit der
Geschäfte. Die letztere beruht auf folgendem:
Die rechtliche Entscheidung besteht in der Subsumtion
eines gegebenen Tatbestandes unter das geltende Recht, sie ist wie
jeder logische Schluß vom Willen unabhängig; es besteht keine Frei-
heit der Entschließung, ob die Folgerung eintreten soll oder nicht;
sie ergibt sich — wie man sagt — von selbst, mit innerer Notwendig-
keit. Dem zur Abgabe der Entscheidung Berufenen mag es obliegen,
den Tatbestand zu ermitteln, und es kann ihm bei der Feststellung
desselben ein weiter Spielraum des Ermessens gelassen sein; aber
immerhin hängt die Gestaltung desselben nicht von seinem Willen ab,
sondern er hat ihn so zugrunde zu legen, wie er sich ihm darstellt,
wie er sich in seinem Geiste als vorhanden widerspiegelt. Ebenso
kann das objektive Recht (der logische Obersatz) dem Richter eine
weitreichende diskretionäre Gewalt einräumen, ihm die Berücksichti-
gung der Billigkeit vorschreiben, ihm einen arbiträren Spruch über-
tragen. Trotzdem hat der Richter nicht seinen Willen, sondern
denjenigen des objektiven Rechts zur Geltung zu bringen; er ist die
viva vox legis; er schafft sich nicht den Obersatz, sondern er nimmt
ihn hin als von einer über ihm stehenden Macht gegeben. Der Richter
kann sich irren hinsichtlich der Feststellung des Tatbestandes, hin-
sichtlich des Rechtssatzes, hinsichtlich der daraus sich ergebenden
Folgerung, und es können daher verschiedene Richter denselben Fall
in verschiedener Weise entscheiden ; aber ein Richter kann nicht, wenn
er pflichtgemäß verfährt, denselben Fall nach seinem Belieben ver-
schieden entscheiden, d. h. an die Stelle einer logischen Opera-
tion, die durch einen gegebenen Obersatz und Untersatz und die
allgemeinen in der menschlichen Natur begründeten Denkgesetze be-
herrscht wird, seinen freien Willen seizen. Dies gilt ganz gleich-
mäßig, mag ein »Gericht« oder eine »Verwaltungsbehörde« zur Ent-
scheidung berufen sein.
Im Gegensatz hierzu ist der Verwaltungsakt die Herbeifüh-
rung eines gewollten Erfolgs '., Rechtssätze können hierbei nicht
bloß die Schranken der Handlungsfreiheit, sondern auch positiv die
Veranlassung des Handelns bilden; der Verwaltungsakt kann darauf
gerichtet sein, eine gesetzliche Anordnung zu realisieren; aber er ver-
hält sich auch in diesem Falle nicht wie ein Schluß zu seinen Prämissen,
sondern wie eine Handlung zu ihren Motiven. Jeder vom Staate
zu verfolgende Zweck kann als Motiv der Verwaltungshandlungen
wirken, also unter Umständen auch die Durchführung eines vom
Staate angeordneten Rechtssatzes; die Motive können aber auch völlig
1) Vgl. v. Sarwey S. 1, 13 und besonders Bernatzik S. Y9fg.