180 8 64. Der Begriff der Verwaltung.
welche diese Akte hervorrufen. Wenn man sagt, jemand habe sich
ein Haus gebaut, so will man nicht gerade ausdrücken, daß er mit
eigener Hand daran gearbeitet habe. So sind auch die staatlichen
Handlungen gewöhnlich Operationen, die aus einer Kette von Einzel-
handlungen bestehen können. Ja der Schwerpunkt liegt nicht in den
Endgliedern dieser Kette, durch welche der Erfolg schließlich erreicht
wird, sondern in der Initiativhandlung, welche alle übrigen zur Folge
hat. Die staatliche Handlung kann sich daher vollziehen durch eine
lange Reihe von Befehlen, die sich nur innerhalb des Verwaltungs-
apparates selbst fortpflanzen, verzweigen, in Detailvorschriften umwan-
deln, ergänzende Anordnungen untergeordneter Stellen veranlassen
usw. und nur an den letzten Endpunkten sich in Handlungen umsetzen,
die nach außen eine Wirksamkeit entfalten. Insbesondere kann sich
die in ihrem Anfangspunkt einheitliche Handlung, z. B. die Anordnung,
eine Eisenbahn zu bauen und zu betreiben, eine wissenschaftliche
Anstalt einzurichten, neue Truppenkörper zu bilden usw., in eine
unzählige Menge von Einzelhandlungen auflösen. Daraus ergibt sich,
daß die Form der Verordnung, sowie die Form des Gesetzes innerhalb
der Verwaltung im Sinne von staatlichem Handeln ihren Platz haben.
Ein Gesetz, welches den Bau eines Kanals, einer Eisenbahn, einer
Festung anordnet oder die Aufnahme einer Anleihe befiehlt, ist der
Anfang eines Komplexes von Handlungen, durch welche ein be-
stimmter Erfolg erreicht werden soll, und deshalb im materiellen
Sinne ein Verwaltungsakt?). Es ist kein Widerspruch, daß die
Vornahme eines Verwaltungsaktes zur Zuständigkeit der »gesetzgeben-
den Gewalt«, d. h. des zur Gesetzgebung berufenen Organes, gehöre
und sich in die Gestalt des Gesetzes kleide; denn handeln kann
der Staat durch jedes seiner Organe und in jeder rechtlich anerkann-
ten Form.
Gibt es hiernach neben den Rechtsgesetzen und den Rechtsver-
ordnungen Verwaltungsgesetze und Verwaltungsverordnungen, so ent-
steht die Frage, woran der Unterschied zwischen beiden erkennbar
wird. Als ganz unzutreffend erweist sich die verbreitete Ansicht, daß
Gesetze (im materiellen Sinne) allgemeine Vorschriften enthalten,
die Verwaltung dagegen in der Regelung individueller oder
konkreter Angelegenheiten bestehe?.. Wenn man selbst zugeben
1) Sehr zutreffend O0. Mayer, Französisches Verwaltungsrecht S. 14fg. Er
sagt: „Sehr häufig mag das bei oberflächlicher Betrachtung so aussehen, als würde
gehandelt unter den Rechtsregeln des Gesetzes, wie es der Einzelne tut, wenn er
Privatrechtsgeschäfte vornimmt. In Wirklichkeit ist das Verhältnis ein ganz anderes.
Der Staat hat hier durch sein Gesetz nicht Regeln gegeben für künftiges fremdes
Handeln, wie das Zivilrecht es tut. Denn was jetzt weiter handelt, die vollziehende
Gewalt, ist wieder er selbst; er hat durch das Verwaltungsgesetz bereits begonnen
zu handeln; was weiter geschieht, ist nur die Fortsetzung davon.“
2) So z. B. G. Meyer, Verwaltungsrecht 8& 1, Staatsrecht $ 176; Selig-
mann Ss. 68.