Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 65. Die Formen der Verwaltungsakte. 197 
den Beamten erforderlich; dagegen ist die Beidrückung des Amtssiegels 
weder notwendig noch üblich. 
y) Die Verfügung muB demjenigen, der sie befolgen soll, bekannt 
gemacht werden. Die Bekanntmachung geschieht der Regel nach 
durch Behändigung (Insinuation oder Intimation). Die Lehre von der 
Behändigung ist rechtlich besonders ausgebildet hinsichtlich der ge- 
richtlichen Verfügungen, namentlich der Vorladungen. Die gesetzliche 
Regelung ist für diese Art obrigkeitlicher Verfügungen wegen der Kon- 
tumazialfolgen, welche die Nichtbefolgung der gerichtlichen Ladung 
nach sich ziehen kann, geboten. Die Vorschriften über die Behändi- 
gung gerichtlicher Verfügungen sind aber nicht durch den Inhalt des 
gerichtlichen Befehles bedingt, sondern sie normieren die Vorausset- 
zungen, unter denen angenommen werden kann, daß die gerichtliche 
Verfügung zur Kenntnis des Adressaten gelangt ist. Sie sind deshalb 
analog auf alle Verfügungen anwendbar. Es gilt dies insbesondere 
hinsichtlich der Frage, welchen Personen in Vertretung des Adressaten 
eine Verfügung behändigt werden kann, über die Insinuation von Ver- 
fügungen, welche an juristische Personen, Vereine, Gesellschaften usw. 
gerichtet sind. 
Ist die Verfügung nicht an individuell bestimmte Personen, son- 
dern an eine Mehrheit von Personen oder an unbekannte Personen 
gerichtet, so tritt an die Stelle der Behändigung die öffentliche Be- 
kanntmachung durch Amitsblätter, Zeitungen, Maueranschläge u. dgl. 
Eine solche Bekanntmachung hat begrifflich keinerlei Verwandtschaft 
mit der Publikation der Gesetze und Rechtsverordnungen, sondern sie 
ist analog dem öffentlichen Aufgebot, welches die Gerichte bei Kon- 
kursen, Subhastationen und in anderen zahlreichen Fällen erlassen; 
sieistein Surrogat der Behändigung. 
I. Der Dienstbefehl. Aus dem Begriff der Verwaltung als 
Geschäftsführung ergibt sich, daß die Tätigkeit der Behörden durch 
das Gesetz allein nicht bestimmt wird, sondern durch das freie Er- 
messen derselben innerhalb der durch das Gesetz bestimmten Schranken. 
Diese Freiheit kann aber nicht jeder einzelnen Behörde in ihrem 
Wirkungskreise zustehen, ohne daß die Einheit und Harmonie der 
Geschäftsführung gefährdet und gestört wird. Unter dem freien Er- 
messen der Verwaltung ist nicht das subjektive Ermessen jedes ein- 
zelnen Beamten und unter der Handlungsfreiheit nicht das Belieben 
jeder untergeordneten Behörde zu verstehen. Die einzelnen Behörden 
sind vielmehr in einem gegliederten System verbunden, und die Ge- 
schäftsführung des Staates ist nicht zerrissen und zerstückelt, sondern 
unter die Behörden planvoll verteilt. Die Zerlegung der staatlichen 
Geschäfte in kleine Geschäftskreise, welche den einzelnen Aemtern zu- 
gewiesen sind, muß Hand in Hand gehen mit einer Zentralisation der 
Geschäftsleitung. Die unteren Behörden sind demgemäß bei ihrer Ge- 
schäftsführung den Anweisungen der vorgesetzten Behörde unterworfen
	        
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