Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 67a. Das Reichsland. Die Stimmen im Bundesrat. 235 
Daß Elsaß-Lothringen nicht zum Bundesstaat erhoben worden ist, 
wird dadurch bestätigt, daß Art. 1 der Reichsverfassung, welcher »die 
Bundesstaaten« aufführt, nicht abgeändert, Elsaß-Lothringen in den 
Katalog der Bundesstaaten nicht aufgenommen worden ist. Es ist 
nicht dem Reich in der Weise beigetreten wie die süddeutschen Staa- 
ten dem Norddeutschen Bunde bei der Erweiterung desselben zum 
Reiche, sondern seine Zugehörigkeit zum Reich beruht noch jetzt aus- 
schließlich auf dem Vereinigungsgesetz vom 9. Juni 1871. Elsaß- 
Lothringen ist noch jetzt Reichsland, nicht Bundesstaat’). Daher 
bestehen auch noch jetzt diejenigen Unterschiede zwischen der Stellung 
des Reichslandes und der der Bundesstaaten fort, welche sich mit 
logischer Folgerichtigkeit aus dem Begriff des Reichslandes ergeben, 
soweit sie nicht durch positive Vorschriften der Reichsgesetze ausge- 
schlossen sind. Dahin gehört insbesondere, daß das Reichsland kein 
Subjekt des völkerrechtlichen Verkehrs ist, auch nicht in dem be- 
schränkten Kreise von Angelegenheiten, in welchem es die deutschen 
Bundesstaaten sind. Das eigentliche Subjekt aller für Elsaß-Lothringen 
abgeschlossenen Verträge und aller aus ihnen hervorgehenden Rechte 
und Pflichten, mögen die Verträge mit einem auswärtigen Staat oder 
einem Bundesstaat abgeschlossen werden, ist das Reich, welches in 
Landesangelegenheiten durch die Behörden des Reichslandes innerhalb 
ihrer Zuständigkeit vertreten wird. 
8 67a. Die Stimmen im Bundesrat. 
Die Einräumung von 3 Stimmen im Bundesrat an Elsaß-Lothringen 
ist eine Veränderung der Reichs verfassung und läßt im wesentlichen 
die Landesverfassung von Elsaß-Lothringen unberührt. Es kommt dies 
im Reichsgesetz vom 31. Mai 1911 zu deutlichem Ausdruck, indem 
Art. I desselben einen Zusatz zur Reichsverfassung als Art. 6a enthält, 
während getrennt davon Art. 1] die »Verfassung von Elsaß-Lothringen« 
betrifft. Da Art. I zu einem Bestandteil der Reichsverfassungsurkunde 
gemacht worden ist, so kann derselbe nicht abgeändert oder aufge- 
hoben werden, wenn im Bundesrat 14 Stimmen dagegen sind, also 
nicht ohne Zustimmung des Kaisers, welcher als König von Preußen 
17 Stimmen hat. Diese Abänderung der Reichsverfassung ist eine 
prinzipwidrige und unlogische; denn der Bundesrat besteht nach Art. 6 
aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, das Reichsland 
ist aber kein Mitglied, sondern ein dem Reich unterworfenes und 
1) Dies ist auch die überwiegende Ansicht, soweit sie in den staatsrechtlichen 
Erörterungen der großen Zeitungen und in der Literatur zur Erscheinung gekommen 
ist. Vgl. z.B. Bruck S. 13. Alfr. Schulze S. 13. Heim S. 10f. Kisch 
a. a. 0. S. IV. Besonders kommen dafür namentlich die Erklärungen des Reichs- 
kanzlers und des Staatssekretärs Delbrück in den Verhandlungen des Reichstags und 
der Kommission in Betracht.
	        
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