Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

$ 67a. Das Reichsland. Die Stimmen im Bundesrat. 239 
rität; dann ist es ebenfalls gleichgültig, wie sie abgegeben werden. 
c) Preußen wird durch die gegen seinen Antrag abgegebenen elsaß- 
lothringischen Stimmen in die Minorität versetzt. Dies ist in allen 
Fällen von einiger Erheblichkeit tatsächlich ausgeschlossen. 
d\) Preußen würde durch die elsaß-lothringischen Stimmen die 
Majorität oder den Stichentscheid erlangen; alsdann werden sie nicht 
gezählt, also gerade dann nicht, wenn es auf sie ankommt und sie 
von politischer Bedeutung sein könnten. 
Die Bundesratsstimmen von Elsaß-Lothringen sind hiernach von 
geringerer Kraft und minderer Art als die Stimmen der Bundesstaaten 
und die Behauptung, daß das Reichsland den Bundesgliedern gleich 
gestellt sei, widerlegt sich durch Abs. 3 des in die Reichsverfassung 
eingefügten Art. 6a. 
3. Elsaß-Lothringen führt die 3 Stimmen im Bundesrat nur so lange, 
als der Kaiser die Staatsgewalt in Elsaß-Lothringen ausübt und ein 
kaiserlicher Statthalter an der Spitze der Landesregierung steht (Gesetz 
vom 31. Mai 1911 Art. I Abs. 1) d. h. so lange es Reichsland bleibt. 
Da in dem Falle, daß das Reichsland zu einem wirklichen Bundes- 
staat gestaltet werden sollte, es selbstverständlich ist, daß es die seiner 
Größe entsprechenden Bundesratsstimmen behält, so kann diese Klausel 
— wie oben S. 233 bereits bemerkt worden ist — sich nur auf den Fall 
beziehen, daß Elsaß-Lothringen die Eigenschaft als Reichsland dadurch 
verliert, daß es dem preußischen Staat einverleibt oder unter mehrere 
Bundesstaaten verteilt wird. Für diesen rechtlich möglichen, wenn- 
gleich unwahrscheinlichen, Fall bestimmt das Gesetz, daß die elsaß- 
lothringischen Stimmen nicht den Stimmen Preußens oder der ande- 
ren Bundesstaaten zuwachsen, sondern erlöschen'). 
4. Der Grundsatz (RV. Art. 6 Abs. 2), daß jedes Mitglied des Bundes 
so viel Bevollmächtigte zum Bundesrate ernennen kann, wie es Stimmen 
hat, die Gesamtheit der zuständigen Stimmen aber nur einheitlich ab- 
gegeben werden kann, gilt auch für Elsaß-Lothringen. 
Ebenso ist es zweifellos, obgleich es im Reichsgesetz vom 31. Mai 
1911 nicht gesagt ist, daß auf die elsaß-lothringischen Bevollmächtigten 
die für die Bundesratsbevollmächtigten allgemein geltenden Vorschrif- 
ten der Zivilprozeß- und Strafprozeßordnungen Anwendung finden. 
9. Elsaß-Lothringen gilt im Sinne des Art. 7 der Reichsverfassung 
als Bundesstaat. Der Art. 7 behandelt die Zuständigkeit und Beschluß- 
fassung des Bundesrats; nur Abs. 2 betrifft eine Befugnis der »Bundes- 
glieder«, nämlich Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen 
und die Pflicht des Präsidiums d. i. nach Art. 11 der Reichsverfassung 
des Kaisers, dieselben der Beratung zu übergeben. Versteht man 
unter »Präsidium« das Bundes rats präsidium, also den Reichskanzler, 
so trifft diese Verpflichtung diesen; einen praktischen Unterschied 
bedeutet dies nicht, da der Kaiser seine staatsrechtlichen Funktionen 
1) Es ist nicht erfindlich, welche Bedeutung diese Klausel sonst haben könnte.
	        
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